TOD DURCH ERTRINKEN

Überleben durch Erkennen – Retten – Handeln



Sven (42), TL 1, beendet mit seinem Tauchschüler Ronny (18) den Tauchgang mit Sicherheitsstopp auf fünf Meter. In dem klaren Wasser sehen sie an der Wasseroberfläche einen jungen Mann zappelnd schwimmen. Als sie das Ufer des beliebten Badesees betreten und sich umschauen, sehen sie nur einen Schatten an der Wasseroberfläche, kurz danach einen Arm, dann taucht der Körper unter. Sven hat als erster seine Ausrüstung abgelegt und springt erneut mit seiner ABC-Ausrüstung in den See. Er hat die bedrohliche Lage erkannt und ruft Ronny noch zu, den Notruf abzusetzen und Hilfe herbeizurufen. An der Stelle, wo er das letzte Mal den Schwimmer gesehen hat, ist es knapp vier Meter tief.  Mit einem kurzen Abtauchen kann er den leblosen Körper unter den Achseln fassen und an die Oberfläche ziehen. Zwei andere Männer sind ihm entgegengeschwommen und helfen,  den jungen Mann ans Ufer zu ziehen. 

Ertrinken erkennen 
Der etwa 20 Jahre alte dunkelhäutige Mann  ist nicht ansprechbar, auch nach dem Zurückbeugen des Kopfes keine Atmung, etwas Schaum im Mundwinkel. Die Ohren, Lippen,  Hände und Füße sind bläulich verfärbt. Die Haut ist kalt. 

Initiale Atemspende, Sauerstoffgabe   
Sven beginnt unverzüglich mit der Wiederbelebung. Fünf initiale Mund-zu-Nase-Beatmungen, dann 30 Herzdruckmassagen, dann zwei Beatmungen. So lehrt er es seinen Tauchschülern. Seine Anweisungen: Notruf 112 mit Hinweis auf Wiederbelebung absetzen,  Notfallrucksack aus seinem Auto holen. Ein Mann und eine Frau übernehmen die Wiederbelebung, es ist anstrengend, sie wechseln sich ab. Sven bereitet den Beatmungsbeutel mit der Atemmaske und dem Sauerstoffanschluss vor, als Tauchlehrer hat er die empfohlene Notfallausrüstung dabei.  Außerdem hat er den vereinseigenen automatischen externen Defibrillator (AED) dabei. Ronny hilft, die Elektroden am Brustkorb anzukleben, nachdem er mit einem Handtuch die Haut schnell getrocknet hat (Foto 2). 
Die Wiederbelebung wird mit der Maskenbeatmung mit hohem Sauerstoffanteil in der Atemluft (15 Liter pro Minute) wirksamer durchgeführt. Immer noch im Wechsel 30 Herzdruckmassagen gefolgt von zwei Beatmungen. Der AED analysiert den Herzrhythmus und fordert zur Fortsetzung der Herz-Lungen-Wiederbelebung auf; eine Schockabgabe wird nicht empfohlen. 

Notarzt und Rettungsdienst
Der Hinweis auf den Ertrinkungsunfall mit HLW löst den Einsatz des Rettungshubschraubers aus.  Etwa acht Minuten nach dem Notruf landet der Gelbe Engel auf der nahe gelegenen Wiese. Notarzt und Notfallsanitäter laufen – ausgestattet mit einem großen Rettungsrucksack – zur Notfallstelle. Sven berichtet kurz über den Hergang, während der Notfallsanitäter bereits EKG-Kabel anklebt, die Sauerstoffsättigung misst und die Intubation des Mannes vorbereitet. Ein tragbares Beatmungsgerät übernimmt die Beatmung mit 100 Prozent  Sauerstoff. Über einen Venenzugang am Arm werden eine Infusion angeschlossen und Medikamente bei Bedarf intravenös gegeben (Kasten 2). 

1) Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Ertrinken
1. Prüfung von Bewusstsein und Atmung
2. Hilfe herbei rufen,  Notruf Tel. 112
3. Kopf überstrecken zum Freimachen der Atemwege 
4. Fünf initiale Beatmungen (Atemspende) „rescue breaths“
5. Herz-Lungen-Wiederbelebung (HLW): Erwachsene 30:2, Kinder 15:2
6. Anlegen des automatischen externen Defibrillators (AED), falls vorhanden
7. Wirbelsäulenverletzungen (Kopfsprung in flaches Wasser!) bedenken
8. Wärmeerhalt, aber nicht überwärmen 



Erkennbarer Erfolg der HLW

Durch die Wiederbelebungsmaßnahmen der geschulten Ersthelfer ist es zu einer Wiederherstellung der Sauerstoffversorgung des Körpers gekommen. Haut und Lippen sind wieder ­rosig, der junge Mann ist aber noch bewusstlos. Sven protokolliert nach der mündlichen Übergabe an den Notarzt den Ablauf auf einem „Tauchunfallprotokoll für Ersthelfer, das er im Notfallrucksack dabei hat. Zwar ist es kein Tauchunfall, aber das Protokoll erlaubt ihm, wichtige Punkte an den Rettungsdienst weitergeben zu können. Er notiert seine persönlichen Daten und Handy-Nummer für Rückfragen und fotografiert das Formular mit seinem Handy, bevor er es dem Notarzt übergibt. Die Rotoren drehen sich, der Hubschrauber startet. 


Ertrinkungsnotfall: Fakten und Taten
Beim Ertrinkungsnotfall taucht der Verunfallte ganz (Submersion) oder teilweise (Kopf oberhalb des Wassers, Immersion) ein mit der Folge der Lungenfunktionsbeeinträchtigung.  Bezeichnungen wie „nasses“  oder „trockenes“ Ertrinken, Beinahe-Ertrinken haben für die Erste-Hilfe keine Bedeutung. 





Wer ertrinkt, erstickt. 
Wasser in den Atemwegen kann zum „Stimmritzenkrampf“ führen, der die Luftröhre krampfartig verschließt. Der dadurch bedingte Atemstillstand verursacht durch den eintretenden Sauerstoffmangel Bewusstlosigkeit. Nur bei einem geringen Prozentsatz der Ertrinkenden löst sich der Stimmritzenkrampf während des Ertrinkens; die Lungen werden mit dem eindringenden Wasser geflutet. Ob dabei Salzwasser oder Süßwasser in die Lungen eintritt, ist für die Erste-Hilfe-Maßnahmen egal.

2) Maßnahmen im Rettungswagen / –hubschrauber
• Fortführen der HLW nach ERC-Leitlinien (European Resuscitation Council) 
• Defibrillation bei Kammerflimmern
• Endotracheale Intubation und Beatmung mit 100 Prozent Sauerstoff 
• Ruhigstellung der Wirbelsäule bei Verdacht auf Halswirbelsäulenverletzung
• In Ausnahmefällen (zum Beispiel Hypothermie) erfolgt ein Transport unter laufender Reanimation



Eigenschutz der Helfer hat Vorrang! 
Immer wieder wird von ertrunkenen Rettern berichtet, die mit Strömung oder Kälte des Gewässers überfordert werden. Muss der Ertrinkende schwimmend gerettet werden, muss mit Panikreaktionen gerechnet werden, die die Hilfeleistung erschweren können. Bewusstlose werden im „Kopfschleppgriff“ an Land gebracht (Foto 1). Mund und Nase sollen über Wasser gehalten werden. Erst am Ufer oder auf dem Boot werden Erste-Hilfe-Maßnahmen eingeleitet (Kasten 1).  

3) Intensivmedizinische Therapie
• Wiederherstellen der Homöostase (Elektrolyte, Blutgase, Gerinnung) 
• Vorbeugung und Behandlung eines Lungenversagens (Acute Respiratory Distress Syndrm, ARDS) 
• Bei Lungenversagen: Extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) 
• Behandlung begleitender  Verletzungen oder für den Unfall ursächliche Erkrankungen wie beispielsweise ein akuter Herzinfarkt


Fazit
Ahmed hat seinen Schwimmversuch dank mehrerer glücklicher Umstände überlebt: Das Untertauchen in Ufernähe wurde beobachtet und sofort gehandelt. Ein Ertrinkungsopfer schreit nicht mehr, es wirft nicht die Arme in die Luft, sondern ringt mit seinen letzten Kräften um sein Leben. Die Ersthelfer waren geschult und konnten schon ohne Einsatz technischer Hilfen, allein durch Atemspende und Herz-Druckmassage, den Verunfallten am Leben halten. Die nachfolgende Rettungskette ist in diesem Fall wieder ein Beweis als „chain of survival“. Jeder Taucher muss darauf vorbereitet sein, in der Ausübung seines Wassersports Erste Hilfe für einen Ertrinkenden geben zu können.


VDST-Tauchunfallprotokoll für Ersthelfer
• Protokoll zur Erfassung wichtiger Daten zum Unfallhergang, zum Beispiel bei einem Tauch- oder Ertrinkungsunfall zur Weitergabe an den Rettungsdienst
• Schriftliche Information zusätzlich zur mündlichen Übergabe. Es sollen tauchgangs spezifische Daten mit angegeben werden, die für die weitere ärztliche Behandlung von Wichtigkeit sein können 
• Das Protokoll kann auch mit dem Smartphone fotografiert und damit per mail oder whatsapp an die VDST-Hotline oder an den Rettungsdienst oder das Krankenhaus weitergegeben werden. 
• Die Daten unterliegen dem persönlichen Datenschutz und dürfen nur im Notfall an Befugte weitergegeben werden! 
• Das Tauchunfallprotokoll ersetzt nicht den Unfallmeldebogen an die VDST-Geschäftsstelle
• Das Tauchunfallprotokoll für Ersthelfer ist im Download-Bereich des VDST oder über die Vereine und die Bundesgeschäftsstelle erhältlich.

Das Unfallprotokoll kann kostenfrei heruntergeladen werden






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