ALFRED TAUCHT IMMER

Die Begebenheiten des (Beinahe)-Tauchunfalls ereigneten sich in der vorletzten Tauchsaison. Alfred taucht seit mehr als drei Jahrzehnten. Wir hatten die Gelegenheit, im persönlichen Gespräch das Geschilderte zu hinterfragen. Die Namen der Betroffenen wurden geändert. Alfred ist eine Frohnatur. Immer zu einem Spaß aufgelegt, keine Fete auslassend, gutem Essen zugetan. Jetzt ist er 50 und vom Leistungsträger der UW-Rugby- Mannschaft zum gemütlichen, übergewichtigen Oldie mutiert.


Kardinalfehler:
Trotz lebensbedrohender Vorerkrankung erfolgte eine unzureichende Abklärung der Tauchtauglichkeit. Deutliche und eindeutige Warnzeichen wie Erschöpfung, Kurzatmigkeit sowie Beklemmung, die teilweise auch außerhalb des Tauchsports auftraten, wurden nicht adäquat beachtet. Fehlinterpretation der anfänglich immer schneller erfolgten Erholung nach einem Tauchgang. Die Wunschvorstellung eigener Fitness bedarf in diesem Fall der medizinischen Abklärung. Kein Eingreifen des Tauchpartners oder der Vereinsmitglieder.


Sein 1.500ster Tauchgang am runden Geburtstag ist geplant und doppelter Grund für eine zünftige Runde nach dem Vereinstauchen. Es wird spät, alle sind bester Stimmung als es gegen Mitternacht heißt: „Nächste Woche tauchen wir wieder.“ Eine Woche später sind alle da, nur Alfred nicht. Auch sieben Tage später fehlt er. Dann die Nachricht: Herzinfarkt! Am Morgen nach dem Abend am See. Spekulationen machen die Runde: „Warum ausgerechnet nach diesem Tauchgang?“ „War Alfred mit Uwe womöglich an der Steilwand auf Tiefe, passend zum Geburtstag?“ Die Nachricht aus dem Spital ist eindeutig: Arteriosklerose – drei Stents – noch mal gut gegangen. Es dauert lange, bis Alfred wieder im Verein auftaucht. Trotz laufender Therapie ist er nach wie vor den Genüssen des Lebens zugetan, nur Tauchen geht nicht mehr. So vergeht fast ein Jahr. Dann präsentiert Alfred eine frische Tauchtauglichkeitsbescheinigung seines Hausarztes. „Ich hab‘ ihm gesagt, ich tauche nicht mehr tiefer als zehn Meter, es geht wieder los – mit Brief und Siegel“, verkündet Alfred der staunenden Taucherschar. Den skeptischen Blicken begegnet er mit Schulterzucken und verschwindet kurze Zeit später mit Kumpel Uwe unter der Wasseroberfläche. Die Vereinsmitglieder verfolgen gespannt die aufsteigenden Luftblasen. Die beiden bleiben im flachen Wasser, immer in Ufernähe. Nach knapp 20 Minuten kommen beide zurück. Alfred ist sichtlich angestrengt, kurzatmig  und nimmt am Ausstieg im Gegensatz zu alten Gewohnheiten gerne die Hilfe anderer an. Nach einer Verschnaufpause wird er wieder der Alte, sichtlich erfreut über seinen Unterwasserausflug. So vergeht die Tauchsaison. Langsam steigert Alfred die Tauchzeit, hält sich offensichtlich an seine Zehn-er Grenze. Es läuft gut, nur manchmal ist ihm die Anstrengung nach dem Tauchgang anzusehen. Auch das zweite Taucherjahr – mit aktuellem Okay des Hausarztes – sieht Alfred und Uwe regelmäßig unter Wasser, begleitet von besorgten Blicken der Vereinsmitglieder. Seine Erholungszeiten nehmen wieder zu und mühelos ist das Ganze für Alfred augenscheinlich nicht. Alfred: „Konditionsprobleme, kommt schon wieder“. Eine Woche am Roten Meer wird gebucht. Dort werden nur einige Unterwasserausflüge absolviert. Beim Saisonabschluss im heimischen See ist der Tauchgang kurz, Alfred fühlt sich nicht wohl. Blass im Gesicht und kurzatmig braucht er deutlich länger für das Ablegen des Tauchgerödels. Offensichtlich hat er auch Schmerzen. Hilfe lehnt er ab und auf besorgte Fragen nach seiner Gesundheit reagiert er unwirsch. Sein Zustand bessert sich langsam. Als eine der Anwesenden dennoch zum Handy greift und ankündigt, die 112 zu wählen, verkündet Alfred: „Blödsinn, ich habe in den nächsten Tagen sowieso‘ nen Arzttermin“, schwingt sich in sein Auto und ward nicht mehr gesehen. Einige Tage später fasst Uwe Alfreds Arzttermin zusammen: „Der Kardiologe hat ihm gesagt: Eine Woche später wären sie nicht mehr auf eigenen Beinen zu mir gekommen.“ Ganz knapp am zweiten Infarkt vorbei. Erneut ist es gut gegangen – für Alfred, seinen Buddy sowie die Vereinsmitglieder. Alfred taucht nimmer…

Achtung:
Das Eintauchen des Körpers ins und unter Wasser, Temperatureinflüsse sowie die sich daran anpassende Atmung fordern generell das Herz-Kreislauf-System mit seinem Zentralorgan Herz.
Nach einem akuten Koronarsyndrom ist eine Tauchtauglichkeit nach einer Einzelfallbeurteilung möglich.
Im vorliegenden Fall ist eine „einfache“ Tauchsportuntersuchung (TSU) keinesfalls ausreichend und mit höchstem Risiko verbunden.
Belastungs EKG, Herzultraschall, Myokardszintigramm, Berücksichtigung der Medikamentation sind in diesem Fall notwendige Erweiterungen der TSU.
Sogenanntes „konservatives/blasenarmes“ Tauchen ist nach ärztlichem Okay unabdingbar.

Wesentliche Empfehlungen (Auszug): 
Tauchcomputer: Deko-Berechnung konservativ einstellen
Tauchcomputer: Pressluft rechnen – Nitrox tauchen 
K eine Deko-Tauchgänge
Nullzeit nicht ausreizen
Maximal zwei Tauchgänge am Tag
Mindestens vier Stunden Oberflächenpause zwischen zwei Tauchgängen
Weitere Reduzierung der Aufstiegsgeschwindigkeiten
Anstrengungen während des Tauchens sowie unmittelbar danach vermeiden.


Unser Autor: 
Jürgen Kranz
VDST TL 1, DUC Goch 1974 e.V.






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