SCHWARZE FACKEL

Wie aus der schwarzen Katastrophe eines der beliebtesten Ziele für Tech-Taucher wurde…






Tauchen am größten Wrack im Mittelmeer






Bei seinem Untergang richtete der Öltanker Haven eine Umweltkatastrophe von enormen Ausmaßen an. Heute ist er ein Magnet für Wrackliebhaber aus ganz Europa.


April 1991: Der Öltanker Haven steht in Flammen, die schwarze Fackel des brennenden Rohöls ist über hundert Kilometer weit zu sehen. Ein riesiger Ölteppich treibt auf die Küste. Vier Tage tobt das Inferno, bis die Haven schließlich in der Bucht von Genua versinkt. Die Havarie des 334 Meter langen Supertankers verursacht die bis heute größte Umweltkatastrophe im Mittelmeer.

27 Jahre später: Guiseppe di Piazza von der Tauchbasis Haven Diving Center sitzt auf seinem Boot und schaut aufs Meer hinaus. Die See in der Bucht liegt ruhig da, als wäre nie etwas geschehen. „Damals war das ein Schock für die ganze Region. Bis im hintersten Winkel Genuas war die Rauchsäule zu sehen“, erinnert sich di Piazza, den alle nur Pippo nennen. Dass er einmal mit dem Wrack der Haven seinen Lebensunterhalt verdienen würde, hat er damals nicht geahnt. Der versunkene Tanker ist inzwischen ein Magnet für Wrackliebhaber aus ganz Europa geworden. Er steht in einer Tiefe von 80 Metern aufrecht auf dem Grund steht und reicht bis 35 Meter hinauf. Obwohl die Haven bei dem Unglück einen Teil ihres Bugs verloren hat, ist sie noch immer 250 Meter lang – und damit nicht nur das größte Wrack des Mittelmeers, sondern auch eines der größten weltweit.

Bei guter Sicht sind die gewaltigen Dimensionen des Öltankers bereits beim Abtauchen zu erahnen. Entlang einer Leine sinkt man ins Blauwasser hinunter, bis sich schemenhaft die ersten Umrisse des Wracks abzeichnen. Der Kamin ragt aus der Tiefe empor, die Kommandobrücke rückt ins Blickfeld. Die pyramidenförmigen Aufbauten des Haupthauses führen ins Dunkel wie die Absätze einer gigantischen Treppe. Das Wrack ist so groß wie ein Hochhaus und länger als zwei Fußballfelder. Seine Grenzen sind mit einem Blick nicht wahrzunehmen, sie verlieren sich im tiefen Blau des Mittelmeers.

Die Anfang der 1970er gebaute Haven war bei ihrem Untergang 1991 bereits ein altersschwacher Kahn, den man nach einem Bombentreffer im Persischen Golf wieder zusammengeflickt hatte. Ein Fehler in der Inertgasanlage wurde ihr schließlich zum Verhängnis. Beim Umpumpen der Ladung entzündeten sich die explosiven Gase des Rohöls. Mit einem lauten Knall explodierte der erste Tank. Die enorme Druckwelle schleuderte Teile der Stahlabdeckung über hundert Meter weit ins Meer, riesige Flammen schossen in den Himmel. Sieben weitere Explosionen folgten. Der Kapitän Petros Grigorakakis und vier seiner Leute kamen in den Flammen um. Die restlichen 31 Besatzungsmitglieder konnten sich durch einen Sprung über die Reling retten. Vier Tage lang brannte der Öltanker, bis er schließlich am 14. April 1991 versank.

Mit welcher Macht das Feuer auf dem Tanker getobt hat, können die Taucher am Wrack deutlich sehen. Die oberen Stockwerke der Aufbauten, in denen sich vorwiegend die Schlafräume der Crew befanden, sind komplett ausgebrannt. Auch die Kommandozentrale ist kahl, der Steuerstand verschwunden. Das unterste Stockwerk ist jedoch vom Feuer verschont geblieben. Hier finden sich die spannendsten Räume, wie die Küche oder der Ladekontrollraum, in denen viele Details entdeckt werden können. Auch im gewaltigen Maschinenraum, der mehrere Ebenen und große Materiallager beinhaltet, hat es nicht gebrannt.

Mit dem Untergang des Supertankers war die Katastrophe noch lange nicht zu Ende. Stinkender Ölschlick überzog die Küste von Genua bis zur französischen Grenze, über 100 Kilometer Küstenlinie waren betroffen. Es dauerte über vier Monate, bis die Küste wieder einigermaßen sauber war. Etliche Jahre später wurde das Wrack professionell gereinigt und das meiste verbleibende Schweröl und Maschinenöl abgepumpt. Doch bis heute ist der Meeresgrund rund um das Wrack von einer Schicht aus Ölklumpen bedeckt.

Das Ausmaß der Umweltverschmutzung ist kaum vorstellbar, wenn man sieht, wie lebendig es heute an dem Wrack zugeht. Es ist von Fahnenbarschen umhüllt, Brassen und Doraden tummeln sich auf den Decks, im Inneren sind Krebse zu finden, und sogar Zackenbarsche haben sich angesammelt. In den warmen Monaten ziehen die Thunfische vorbei und jagen am Wrack, manchmal im Verbund. Bis Ende August veranstalten sie ihre wilde Jagd.



Unser Autor:
Nina Zschiesche
VDST-Direktmitglied
Journalistin und Buchautorin








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