GOZO
Das EU-Mitglied Malta unweit der afrikanischen Küste beherbergt die südlichsten Tauchreviere im westlichen Mittelmeer. Wem Malta dabei zu trubelig ist, der wird das beschauliche Gozo sofort in sein Herz schließen.
Steckbrief: Nautic Team Gozo
Wo: Marsalforn, Gozo (Malta)/Mittelmeer
Wann: April bis Oktober
Warum: Vielseitige Tierwelt, große und kleine Grotten und Höhlen, Wracks
Besonderheiten: keine Fächerkorallen
Kosten: TG 39 Euro, 10er Karte 300 Euro
Weitere Infos: www.nauticteam.com www.divingeurope.de
Mein allererster Gozo-Tauchgang vor Jahren zählt zu denen, die man nicht vergisst. Vom Boot abgekippt und die Maske gerichtet blicke ich nach unten, um abzuschätzen, wie weit es bis zum Grund ist – und sehe mal gleich einen Adlerrochen direkt unter mir. Soll also niemand behaupten, im südlichen Mittelmeer wäre nix los. Zwar hat sich dieses Erlebnis bei den folgenden Besuchen der Tauchdestinationen Malta und Gozo nicht wiederholt, aber mal ehrlich: woanders im Mittelmeer fliegt einem diese und andere Tierarten abseits des alltäglichen Unterwassergeschehens auch nicht dauernd um die Ohren. Aber allein wegen der Tierwelt kommt wohl eh niemand zum Tauchen nach Malta und Gozo, gibt es dort doch teils spektakuläre Unterwasserlandschaften mit Grotten und Höhlen. Vor Gozo wurden zudem noch Wracks in für Sporttaucher freundlichen Tiefen versenkt. Wer es dazu auch an Land etwas beschaulicher mag, ist auf der kleinen Schwesterinsel des berühmt(er)en Malta bestens aufgehoben. Rund drei Stunden dauert ein Direktflug von Deutschland nach La Valletta, der Hauptstadt des Drei-Insel-Staates. Air Malta fliegt von vielen deutschen Flughäfen dorthin. Gut für Taucher: für Sportgepäck hat Air Malta ein Pauschalangebot; die Kosten bleiben also überschaubar. Tipp: Transfer vom Flughafen zur Fähre vorher buchen. Bei der Überfahrt nach Gozo passieren die Schiffe die unbewohnte Insel Comino. Die ist kaum zwei Kilometer von Malta und nicht mal einen von Gozo entfernt. So dauert die Überfahrt von der Nordost-Ecke der Hauptinsel zum kaum fünf Kilometer entfernten Gozo nur knapp 25 Minuten. Und davon gehen noch zehn fürs Ab- und Anlegen drauf. Es gibt eine ganze Reihe von Tauchbasen auf Gozo; wir waren für unsere Reportage mit dem VDST 5*/CMAS-Center Nauticteam Gozo unterwegs. Seit rund zwei Jahren leiten Laura Müller und Gregor Rentmeister die Basis, die vor über 30 Jahren von Heike Merz und Thomas Zurawski gegründet wurde. Von den circa 40 Plätzen wird ein Großteil von Land betaucht. Einige, so wie an der Insel Comino das bekannte Wrack des ehemaligen DDR-Patrouillenboots „Pasewalk“, oder die Höhle Billinghurst‘s Cave vor Gozo sind dagegen nur mit dem Boot zu erreichen. Generell ist das Revier für alle geeignet. Gelegenheitstaucher werden hier ebenso ihren Spaß haben wie Höhlen-Fans und extreme Tieftaucher. Darauf hat sich auch das Nauticteam Gozo eingestellt und bietet entsprechende Kurse sowie Tauch- und Gasmischungen an. Der Sporttaucher hat übrigens einen Tipp für alle, die sich nach längerer Pause einen Tauchgang zum Eingewöhnen wünschen. Dafür ist die Bucht Mgarr ix-Xini, auch Bucht der Galeeren genannt, an der Südküste Gozos genau richtig. Ihren Beinamen hat sie aus der Hoch-Zeit der Malteser Ritter. Die haben ihre Schiffe bei aufkommendem Sturm in den schmalen Fjord gebracht. Nicht nur die wettersichere Lage und ihr einfacher Schwierigkeitsgrad machen die bis zu 70 Meter breite und maximal 15 Meter tiefe Bucht zu einem der attraktiven Tauchplätze, die mit dem Auto erreicht werden: Hier haben viele Meeresbewohner der Küstenregion ihre Kinderstube,. Daher ist der Tauchplatz bei vielen Makrofotografen beliebt. Neben fast obligatorischen Seepferdchen und etlichen Nacktschnecken sind mit Glück junge Rochen zu sehen. Kleine Schwärme verschiedener Arten junger Brassen tummeln sich hier, außerdem der ein oder andere juvenile Zackenbarsch. Manchmal sind Sepien zu entdecken und wer noch keinen Baby-Oktopus gesehen hat: in dem circa 400 Meter langen, felsgesäumten Meeresarm stehen die Chancen auch dafür ganz gut. Dazu kommt der Vorteil, dass es in dieser Art Fjord so gut wie nie Strömung gibt. „Taucher mit etwas Erfahrung, die sich ein erstes Gefühl dafür verschaffen wollen, wie es wohl in Höhlen sein könnte, sind hier auch richtig“, weiß Nautic-Team-Chef Gregor Rentmeister. In kaum zwölf Meter Tiefe liegt ein großer Höhleneingang, der das möglich macht. Taucher, die in der Sache schon firm sind, werden ihr Vergnügen weiter drinnen finden. Die wohl schönste Unterwasser-Höhle Gozos, das sich weitgehend aus Karst-Sandstein gebildet hat, ist Billinghurst‘s Cave. Der Platz wird mit dem Boot angefahren. Im Eingangsbereich auch für Sporttaucher ohne Höhlenerfahrung okay, geht es am Ende der ersten Kammer sozusagen richtig zur Sache. Das Höhlenabenteuer setzt sich von dort mit einem Gang fort. Der mündet in einer zweiten Felsenkammer, in der aufgetaucht werden kann. „Die rund 100 Meter lange Strecke hat keine Auftauchmöglichkeit“, erklärt Gregor betont: „Das ist der Grund, warum wir Tauchanfänger bei aller Neugier hier nicht hinein mitnehmen – Sicherheit geht immer vor.“ Neben der Flachwasserhöhle in der Galeerenbucht und der Billinghurst‘s Cave für erfahrene Taucher gibt es in Gozo einen weiteren ganz besonderen, dabei ebenso problemlosen wie fürwahr spektakulären Tauchspot: das Blue Hole und den Blue Dome. Unter Tauchern, die den Platz kennen, dürfte es wohl keinen geben, der bei dem Gedanken daran nicht ins Schwärmen kommt. Dabei handelt es sich nicht um eine klassische Höhle, sondern vielmehr um eine gigantische Grotte. Sie liegt an der Küste in Sichtweite der Stelle, wo einst der berühmte Felsenbogen Azur Window stand. Der Begriff Blue Hole kommt von der irgendwann in der Vergangenheit eingebrochenen Höhlendecke, deren übrig gebliebener Kranz heute einen kleinen Pool bildet – das Blue Hole. Vor Wellen geschützt lässt sich hier in aller Ruhe die Ausrüstung richten, bevor es dann entspannt nach unten geht. Dort, im Blue Dome, herrscht dank des blauen Lichts ein mystisches Szenario.
1999 begann Gozos Inselregierung zusammen mit den ansässigen Tauchbasen zudem mit etwa 100 Meter vor der Küste versenkten (gereinigten und entsprechend vorbereiteten) Wracks die Attraktivität als Tauchreiseziel zu verstärken. Heute sind drei Pötte vom Ufer aus zu erreichen. Die zuletzt als Ausflugsboot gelaufene „Comino Land“ liegt mit Blick aufs Meer links, rechts die „Fähre von Xlendi“ und in der Mitte steht die „Karwela“ auf etwas mehr als 40 Meter tiefem Sandboden. Sie gilt als das schönste der drei Wracks im Sporttauchbereich an Gozos Südküste. Zunächst wurde damals die „Fähre von Xlendi“ auf Grund gelegt. Vielleicht, weil aller Anfang schwer ist, kippte der Kahn beim ersten Versenken eines Wracks vor Gozo auf dem Weg nach unten auf die Seite und kam schließlich kieloben auf dem Meeresgrund zur Ruhe. Aus diesem Grund ist das Tauchen ins Wrackinnere verboten. Das heißt auch, dass sich jeder Taucher fragen muss, ob ihm der Besuch der nackten Schiffshülle die Mühe des Tauchgangs wert ist. Seit 2006 gibt es die Alternativen in unmittelbarer Nachbarschaft. Die „Karwela“ ist zugleich das vielseitigste der drei Wracks. Sie steht aufrecht auf Sand, höchste Punkte sind die Masten bei 25 Meter, das Oberdeck ist 35 Meter tief. Eignen sich die offenen Decks inklusive der oberen, lichtdurchfluteten inneren Bereiche sogar für Wrackneulinge, werden erfahrene Taucher ihren Spaß im Maschinenraum finden. Wer als Sporttaucher immer noch nicht genug Altmetall gesehen hat (die Tech-Fraktion findet in den größeren Tiefen noch viel mehr), sollte einen Ausflug nach Comino machen. Dort liegt ein ehemaliges maltesisches Patrouillenboot, das die Regierung aus dem Nachlass der DDR ersteigert hat. 1969 als Minensucher der Kondor-I-Klasse gebaut hieß sie „Pasewalk“. 1992 kam sie nach Malta, wurde „P31“ genannt und war bis ins Jahr 2004 im Dienst. 2009 wurde sie in nur 20 Meter Tiefe vor Comino auf Grund gelegt. 52 Meter lang und sieben Meter breit ist sie für Anfänger ideal. Unterwasser-Fotografen und -Filmer haben dort auch ihren Spaß.
Noch ein Tauch-Höhepunkt in der Nähe ist die Santa Marija-Höhle mit ihren wunderbaren Lichtspielen. An Comino, das per Boot angesteuert wird, können rund zehn Höhlen oder Grotten betaucht werden. Wer unsere Reportage bis hierin gelesen hat, der wird Gozo folglich als ein vielseitiges Mittelmeerziel erkannt haben. Aber wie immer wollen wir ehrlich sein.
Der kleine Wermutstropfen ist, dass es um Malta herum keinen nennenswerten Bewuchs von Fächerkorallen gibt. Wir glauben aber, damit kann man bei dem, was alles geboten wird, gut leben (und tauchen). Nicht von ungefähr hat Gozo Stammgäste, die seit vielen Jahren immer wieder zum Tauchen hierher kommen.
Nun können wir ja alle nicht rund um die Uhr im Wasser sein; gut also, dass es auch an Land reichlich zu sehen gibt. Beeindruckend ist auf Gozo nicht nur die über allem thronende Zitadelle der Inselhauptstadt Victoria. Gar weltberühmt sind die 6000 Jahre alten Ġgantija-Megalithtempel. Das Weltkulturerbe liegt am unmittelbaren Ortsrand von Xaghra. Mit rund 5800 Jahren ist es der vermutlich weltweit älteste Tempelkomplex, außerdem sind es die Ruinen des wohl ältesten freistehenden Gebäudes der Erde (mehr Info: heritagemalta.org/ggantija-temples/ )
Natürlich sollte ein Besuch von Maltas Hauptstadt Valetta nicht fehlen. Von Gozo fährt ein Schnellboot direkt zur Altstadt. Dort geht’s per Aufzug (2 Euro) zur Bastion mit der berühmten Kanonen-Batterie. Unbedingt eine Besichtigung wert ist der historische Großmeisterpalast. Nebenan am Platz mit der Statue von Queen Victoria ist das älteste Café von Valletta: Das Cordina aus dem Jahr 1837 lädt zu einer entspannten Pause ein. Nicht zuletzt ist Malta berühmt für seine Kirchen, wie etwa St. John‘s Co-Cathedral in Valletta. Dort hängt das legendäre, riesige Altarbild vom damals revolutionär malenden Künstler Caravaggio, „Die Enthauptung Johannes des Täufers“. Neben den vielseitigen Tauchplätzen und Angeboten an Land ist Gozos unumstößlicher Pluspunkt, dass es nur wenige Mittelmeerziele für Taucher gibt, die mit dem Flieger samt Tauchgepäck derart schnell und günstig zu erreichen sind. Unsere Empfehlung: am besten selbst hin und vor Ort davon überzeugen lassen.
Frank Schneider
ist Fotojournalist und Co-Herausgeber/Chefredakteur des kostenfreien online-Magazins diving-Europe www.divingeurope.de