SITZ FLEISCH
Bedrohliches Ende eines Tauchurlaubs:Thrombose und Lungenembolie im Reisegepäck
Silke (43) und Horst (49) haben ihren Tauchurlaub in Thailand genossen: während zu Hause das Schneechaos tobt, lassen sie sich von den Tauchbooten zu unglaublich schönen Tauchplätzen fahren. Sie sind erfahrene und auf Sicherheit bedachte 3-Stern-Taucher. Daher haben sie schon zwei Tage vor Abflug ihren Tauchrucksack gepackt und sich gelassen auf den Rückflug eingestellt.
Flugzeit: 11 Stunden
Tag 1: Für den Flug hat sich Silke eine Schlaftablette gegönnt. Horst verzichtet. Bei Ankunft am heimischen Flughafen sind sie erschöpft. An der Passkontrolle kollabiert Silke, ihre Beine sind schwer wie Blei, sie hat Luftnot und muss mit einem Rollstuhl zum Ausgang gefahren werden.
Tag 2: Silke ist nicht belastbar. Sobald sie aufsteht, wird die Luftnot stärker, das Herz schlägt so schnell wie nie und ihr rechtes Bein bleibt geschwollen. Sie will sich schonen, der Urlaub war so toll!
Tag 3: Keine Besserung. Der Hausarzt schickt Silke ins Krankenhaus, vielleicht eine Lungenentzündung? Silke hat Luftnot, jeder tiefe Atemzug schmerzt, das Bein ist dick (Abb. 1). Sie erzählt von dem anstrengenden Flug, erwähnt die Schlaftablette – der diensthabende Arzt runzelt die Stirn mit dem Verdacht auf eine mögliche Diagnose. Der Blick auf das Bein bestätigt den Verdacht: Beinvenenthrombose. Die Ultraschalluntersuchung der Beine und das Computertomogramm der Lungen bestätigt eine Oberschenkelvenenthrombose und Lungenembolie mit Gerinnseln in den Lungenarterien. Silke wird auf der Intensivstation für die nächsten zwei Tage überwacht und behandelt.
„economy class Syndrom“
Das lange und beengte Sitzen vor allem bei Langstreckenflügen („economy class“) beeinträchtigt den venösen Blutfluß-Stillstand, gerinnt das Blut (Thrombose). Schon Virchow hat dieses Phänomen erkannt und in seiner „Virchow´schen Trias“ beschrieben. Lösen sich frische Gerinnsel aus dieser Beinvenenthrombose ab, zum Beispiel beim Aufstehen und Gehen, werden sie mit dem Blutstrom zum rechten Herzen abgeschwemmt und gelangen so in die Lungenstrombahn. Je nach Größe der Gerinnsel, die zwischen wenigen Millimetern Durchmesser und fingerdicken Thromben sein können, verschließen sie die für den Gasaustausch in der Lunge lebensnotwendigen Gefäße. Folgen sind Luftnot, Herzrasen und Kollaps bis hin zur Bewusstlosigkeit.
Tab. 1: Risikofaktoren
für Thrombose und Lungenembolie
• Große Operationen oder Verletzungen
• Bettruhe aufgrund einer akuten Erkrankung oder Ruhigstellung einer Extremität
• Krebserkrankungen
• Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems
• Bluterkrankungen, die mit der unkontrollierten Vermehrung von Blutzellen einhergehen
• Schweres Krampfaderleiden (Varikosis)
• Schwangerschaft und Wochenbett
• Übergewicht
• Rauchen
• Einnahme bestimmter Medikamente: Hormone (z. B. Antibabypille, Hormonersatz therapie in den Wechseljahren), Krebsmedikamente
• Angeborene oder erworbene Blutgerinnungsstörungen
• Höheres Lebensalter (über 60 Jahre)
• Eine vorausgegangene Thrombose oder Lungenembolie
AWMF S3-Leitlinie Prophylaxe der venösen Thromboembolie, 10/2015 gültig bis Herbst 2019
Zwischen beschwerdefrei und Tod
Viele „Reisethrombosen“ bleiben unerkannt, weil sie nur flüchtig eine Schwellung oder muskelkaterartige Schmerzen ohne bedeutsame Schwellung in den Beinen verursachen. Ausgedehnte Beinvenenthrombosen wie bei Silke werden unterschätzt, weil man sie für eine normale Schwellung nach langem Sitzen hält. Luftnot und atemabhängige Schmerzen deuten auf eine Lungenembolie hin. Bei etwa 30 Prozent aller Thrombosen fallen zuerst die Symptome einer Lungenembolie auf. Fulminante Lungenembolien werden leider erst nach plötzlichem Tod erkannt.
Erhöht Tauchen das Thrombose Risiko?
Nein! Regelkonformes Tauchen und ausreichend Flüssigkeitsersatz nach dem Tauchen sind kein Risiko für eine Thrombose, es sei denn, man hat einen Langstreckenflug zum Tauchen gebucht.
Vorbeugen ist besser
Um die Gefahr einer Reisethrombose zu verringern, muss man nicht unbedingt first class buchen. Langes unbewegliches Sitzen ist eine große Gefahr für eine Thrombose und Lungenembolie. Also häufig aufstehen (Gangplatz!), „Venengymnastik“ im Sitzen durch Hin- und Herbewegen der Füsse und Anspannen der Wadenmuskulatur. Während des Fluges auf viel Flüssigkeit achten um eine Dehydratation zu vermeiden. Unterschenkel-Stützstrümpfe wirken hydrostatisch-mechanisch gegen Unterschenkelschwellung. Schlafmittel begünstigen unbewegliches Sitzen mit erschlaffter Beinmuskulatur. Persönliche Risikofaktoren für eine Thrombose sind die Einnahme von Hormonpräparaten („Pille“), Rauchen und eine familiäre Häufung von Thrombosen. Besonders gefährdete Personengruppen sollten sich vor Flugreisen über eine medikamentöse Thromboseprophylaxe ärztlich beraten lassen (Tab. 1)
Und der nächste Tauchurlaub?
Nach einer Thrombose besteht meist eine Einschränkung der Tauchtauglichkeit für wenigstens drei Monate. Die Behandlung mit gerinnungshemmenden Medikamenten ist dabei ohne Bedeutung, vorausgesetzt man hält sich von Haien und Schiffsschrauben fern. Die Entscheidung über die Tauchtauglichkeit nach einer Lungenembolie erfordert eine umfassende Leistungsdiagnostik und Bildgebung durch Computertomografie, Ultraschalluntersuchung des Herzens und der Beine (Tab. 2). Die verantwortungsvolle Entscheidung zum grünen Licht zum Tauchen sollte daher nur von erfahrenen Taucherärzten kommen. Eine Tauchpause von einem Jahr ist als Mindestzeit anzunehmen.
Tab. 2: Erforderliche technische Untersuchungen
zur Beurteilung der Tauchtauglichkeit nach Thrombose und Lungenembolie
• Farbcodierte Duplexsonografie der Beinvenen
• Farbcodierte Dopplerechokardiografie (Herz)
• Lungenfunktion, kapilläre Sauerstoffsättigung
• EKG, Belastungs-EKG mit Sauerstoffsättigung vor/nach Belastung
• Nur bei gezielter Fragestellung Computertomografie Thorax