INTERVIEW: PHILIPP FISCHER
»Getaucht wird in den Vereinen…«
Philipp
Fischer
Fachbereichsleiter (kommisarisch) für Umwelt und Wissenschaft im vorstand des VDST
Elena Oldorff: Wofür stehst du als Referent für Umwelt und Wissenschaft für den VDST?
Philipp Fischer: Ich bin der festen Überzeugung, dass die Mitglieder des VDST im Mittelpunkt unserer Tätigkeit stehen müssen. Wenn wir im VDST in den Gremien arbeiten, sollten wir uns als Dienstleister für unsere Mitglieder sehen und uns immer fragen, ob unsere Handlungen und Aktionen im Verband für die Mitglieder sind und dort auch wirklich ankommen. Der Fachbereich Umwelt im VDST nimmt dabei, meiner Ansicht nach, eine wichtige Rolle ein. Die meisten Anfänger beginnen mit dem Sporttauchen doch, weil sie die Faszination für die Umwelt und die Natur spüren. Man fängt sicherlich nicht mit dem Tauchen an, weil man technisches Tauchen so spannend findet, sondern weil die fremde Unterwasserwelt Faszination und Abenteuer verspricht. Die Tatsache, dass das Interesse am Thema Umwelt im Verlauf zu den höheren Leistungsstufen gefühlt abnimmt und teilweise technische Aspekte in den Vordergrund rücken, deutet darauf hin, dass wir das zunächst vorhandene Interesse der Anfänger am Thema Umwelt nicht halten. Ein Ziel für meine Verbandstätigkeit ist es, dass wir es als VDST schaffen, dieses ursprüngliche Interesse der Anfänger am Thema Umwelt über den taucherischen Werdegang hinweg bis hin zum Tauchausbilder und Funktionär aufrecht zu erhalten und dabei mit sachlich fundiertem Wissen aus dem Bereich Umwelt und Wissenschaft zur Seite zu stehen. Daher wird es eine wichtige Aufgabe sein, dass aktuelle Umwelt-Ausbildungsmaterial zu überarbeiten und das Lehrangebot des VDST im Bereich Umwelt auf einen modernen Stand zu bringen, es in das digitale Zeitalter zu überführen und thematisch für den interessierten Sporttaucher auszuweiten. Die Landesumweltreferenten und die Tauchausbilder des VDST spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie wissen am ehesten, was in den Ländern und Vereinen und bei den Anfängern in Bezug auf Umweltthemen von Interesse ist und bilden damit den Anker für unsere Arbeit in den Vereinen und im Verband.
Elena: Welche Rolle spielt der Bundesverband für die Landesverbände und wie stellst du dir die Zusammenarbeit vor?
Philipp: Diese Frage ist in meinen Augen eine sehr wichtige. In höre als Fachbereichsleiter „Umwelt und Wissenschaft“ und damit als Mitglied des VDST Bundesvorstandes in gemeinsamen Sitzungen mit Vertretern der Landesverbände immer wieder den Satz „ … der VDST Vorstand hat dies oder jedes getan…“ und dabei schwingt oftmals auch unbewusst eine Abgrenzung zwischen Bundesvorstand und den Ländern mit. Für den Bereich Umwelt und Wissenschaft sehe ich es als meine zentrale Aufgabe an, dies zu ändern. Ich selbst bezeichne mich nicht als VDST Fachbereichsleiter „Umwelt und Wissenschaft“, sondern als „Sprecher der VDST Landesumweltreferenten“. Meine Aufgabe als Sprecher ist es, die Interessen, Meinungen, Expertisen und Wünsche aus den Landesverbänden, die sich im LUR-Gremium manifestieren, zu bündeln, zu moderieren, machbare Synthesen zu finden und diese in den VDST Vorstand zu bringen. Als VDST Mitglied, Limnologe und Meeresbiologe habe ich natürlich auch eine eigene Meinung zu den Themen, die im LUR Gremium aktuell sind. Da ich jedoch keinen Landesverband vertrete und damit auch keine VDST Mitglieder, sehe ich meine Aufgabe im LUR Gremium darin, die Landesreferenten zu beraten, Impulse zu setzen, aber auch Beschlüsse des Gremiums zusammenzufassen und sie im Bundesvorstand zu vertreten. Als Sprecher des Fachbereichs Umwelt und Wissenschaft im VDST und Mitglied des Vorstandes sehe ich meine Rolle daher eher als Dienstleister für die Interessen der Länder im Bereich Umwelt und Naturschutz im Verband. Dies bedeutet aber auch, dass im Bund und in den Ländern Strukturen aufgebaut werden müssen, so es vielen VDST-Mitgliedern ermöglicht, im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit und dem dadurch begrenzten Zeitbudget aktiv zu werden. Dazu gibt es in den Ländern bereits hervorragende Beispiele, die ich versuchen möchte, als Fachbereichssprecher mit Unterstützung des Bundesvorstandes zu unterstützten. Zudem gibt es ab sofort eine aktive vierköpfige Sprechergruppe des Fachbereichs Umwelt, die sich aus zwei gewählten Landesumweltreferenten und einer Vertreterin des Bundesvorstandes zusammensetzt und mit mir zusammen das LUR Gremium koordiniert.
Elena: 2030: Wo steht der VDST und du?
Philipp: Im Jahr 2030 ist der VDST ein offiziell anerkannter Umwelt- und Sportverband und erhält erstmals einen Deutschen Umweltpreis. In der Laudatio zur Preisvergabe wird der VDST für seine hervorragende Arbeit im Bereich Umweltbildung, insbesondere in der Kinder- und Anfängerausbildung, gewürdigt sowie für seine nachhaltige und durchgängige Umweltbildungsarbeit durch seine Tauchlehrer im In- und Ausland. Ich selbst sitze zusammen mit dem VDST Ausbildungsleiter bei der Preisverleihung in der fünften Reihe und wir sind beide stolz auf die Tauchausbilder- und Umweltreferenten des VDST, die uns von der Bühne aus lachend zuwinken. –
Elena: Was macht das Tauchen in Deutschland für dich besonders?
Philipp: Ich bin mit 14 Jahren in einen VDST Tauchclub im Süden Deutschlands eingetreten und habe mit 16 Jahren meinen ersten Tauchgang im Bodensee gemacht. Mit 18 Jahren war ich das erste Mal mit dem Verein im Mittelmeer und mit 25 Jahren als frisch gebackener TL-1 erstmals im Roten Meer. Inzwischen bin ich, auch beruflich, zum Tauchen in der ganzen Welt unterwegs und tauche viel in der Arktis und auch in der Antarktis. Die schönsten Momente habe ich dennoch in Deutschland unter Wasser. In der Nordsee vor Helgoland, wo ich wohne oder im Bodensee, wo ich herkomme, komme ich unter Wasser zur Ruhe und kann, ohne zu viel Ablenkung, am besten nachdenken und die Unterwasserwelt im Detail beobachten und bewundern.
Elena: Was treibt Dich an?
Philipp: Mit dem Studium der Fischökologie an der Universität Kiel und der Promotion im Fach Limnologie an der Universität Konstanz hatte ich die Möglichkeit, mein Hobby zum Beruf zu machen. Meine darauffolgende berufliche(n) Ausrichtung als mariner Verhaltensbiologe und als Leiter des Wissenschaftlichen Tauchzentrums des Alfred-Wegener-Institut Helmholtz Zentrum für Polar- und Meeresforschung auf Helgoland interessiert mich seit jeher die Funktion von Ökosystemen und deren Veränderungen durch menschliche Eingriffe und natürliche Veränderungen. Als Professor für Marine Biologie an der Bremer Jacobs University bilde ich heute junge Leute als marine Biologen und auch als wissenschaftliche Taucher für eine spätere berufliche Tätigkeit unter Wasser aus. Die Kombination aus Wissenschaft und Tauchen, aus Forschung und Lehre mit und für junge Menschen, welche dieselbe unstillbare Faszination für die Unterwasserwelt empfinden wie ich motiviert und fasziniert mich bis heute und jeden Tag.
Elena: Was machst du Unterwasser am liebsten?
Philipp: Beobachten oder Arbeiten. Die Idee und Hypothesen für viele meiner wissenschaftlichen Arbeiten haben sich unter Wasser ergeben. Durch die Möglichkeit, einzelne Organismen, Gruppen von Fischen oder auch räumlich begrenzte Ökosysteme unter Wasser im Detail und insbesondere in ihrem aktuellen Zustand zu beobachten, habe ich auch nach mehreren Jahrzehnten beruflicher Tätigkeit unter Wasser immer wieder enormen Spaß. Die Ableitung von Ideen und das Aufstellen neuer Projekte aus Beobachtungen von Pflanzen und Tieren in ihrem Lebensraum unter Wasser mache ich nach wie vor am liebsten unter Wasser. Darauf aufbauend installieren wir oftmals Messgeräte und Versuchsanordnungen unter Wasser, legen Strom- und Netzwerkkabel zu unseren Messgeräten und warten diese für den Zeitraum der Versuche. Diese Kombination aus Biologie und experimenteller Laborarbeit unter Wasser macht mir noch immer sehr viel Freude. Wenn ich privat unter Wasser bin, tauche ich am liebsten mit meiner Frau im Bodensee an der Steilwand und schwebe über dem Nichts.
Elena: Ab ins Meer oder in die Seen?
Philipp: Hmm, das ist schwer zu sagen. Nordsee und Bodensee sind eigentlich meine Lieblingsgewässer, in denen ich mich am wohlsten fühle, wahrscheinlich weil ich sie am besten kenne. Kleinere, flache Seen, insbesondere nachts, faszinieren mich aber ebenfalls sehr. Dort in zwei Meter Wassertiefe vorsichtig am Grund zu verharren, das Licht kurz ausschalten und den Hecht im Mondlicht zu sehen, ist mir mehr wert als jede Haisichtung. Aber…. ein völlig entspannter Urlaubstauchgang mit Freunden im drei Millimeter Neopren ohne Blei, da bin ich auch gerne dabei.
Elena: Nass oder trocken Tauchen?
Philipp: Je nachdem was besser passt, im Zweifel aber eher trocken. Ich bin eigentlich von Natur aus eine Frostbeule und frage mich schon immer wieder, wie ausgerechnet ich bei einem Polarinstitut landen konnte. Freunde sagen mir „Augen auf bei der Berufswahl“. Aber im Ernst, ich habe schon im Bodensee in jungen Jahren ganzjährig viel getaucht und der Trockentauchanzug ist schon damals tauchtechnisch meine zweite Haut geworden. Heute kommt es mir eher ungewöhnlicher vor, wenn ich im Nasstauchanzug ins Wasser gehe, als wenn ich in meinen Trockentauchanzug steige. Daher ist, wie schon oben gesagt, ein entspannter Urlaubstauchgang im drei Millimeter Nasstauchanzug ohne Blei schon etwas ganz besonders.
Unsere Autorin:
Elena Oldorff
Landesumweltreferentin im LTSV Brandenburg