RITTERSCHLAG
Frank und der Fisch mit dem Schwert
Frank liebt seit seiner Kindheit das Wasser. Also schwimmt, segelt, schnorchelt und taucht er. Bei seinen 450 Tauchgängen in heimischen Baggerseen und der weiten Welt hat der Rescue Diver bisher wunderbare Erfahrungen gesammelt. Frank hatte kein Covid-Impf-Problem, und der Taucherarzt hatte kein Problem mit Frank. Mit dieser ganzen Kompetenz wurde ein Tauchurlaub in Mexiko gebucht und Ende November 2021 angetreten. Die neuntägige Tauchsafari startete mit der ‘Nautilus Galant Lady‘ (=Lady) von Cabo San Lucas (Südspitze der Baja California). Die Safari führte nach Norden zur Bahia Magdalena. Hier lockte gerade der Mexican Sardine Run zahlreiche maritime Jäger an: Delfine, Seelöwen und Schwertfische. Als die Lady die Bahia erreicht hatte, wurde sie schon von zwei Tauchbooten mit revierkundigen Fischern begrüßt, die die erwartungsvollen Taucher zum Schnorcheln zu den Schwärmen bringen sollten. Es war einfach toll. Dank der Seevögel, die sich auf die Schwärme stürzten, waren diese gut auszumachen. Kaum war eines der Boote in der Nähe, sprangen die begeisterten Schnorchler ins Wasser und sahen sich sofort von wendigen Schwertfischen umgeben. Frank befand sich in senkrechter Position an der Oberfläche. Während er mit seiner Kamera beschäftigt war, traf ihn über die rechte Schulter kommend ein Schwertfisch im Landeanflug. Vermutlich wollte er nur spielen. Aber das Schwert verwundete Frank im Bereich des rechten Schlüsselbeins und knapp unterhalb der linken Brustwarze. Die Rettungskette wurde zügig eingeleitet. Noch auf dem Tauchboot wurde Frank notversorgt. Er wurde vom Tauchanzug befreit, und die Wunde wurde mit Kompressen aus dem Erste-Hilfe-Koffer abgedeckt. Gleichzeitig fuhr das Boot zurück zur Lady, welche bereits über Funk von dem Unfall unterrichtet war. Parallel dazu wurde die mexikanische Marine informiert, die mit einem Schnellboot ebenfalls zur Lady fuhr. Auf der Lady war alles vorbereitet. Gegen Auskühlung wurde Frank mit Decken zugedeckt, und sein Zustand und die Wunde wurden weiter beobachtet. Im gesamten Verlauf war früh klargeworden, dass glücklicherweise keine größeren Blutgefäße verletzt waren. Nach dem Eintreffen des Schnellbootes reinigte ein Marinearzt die Wunde erneut und nähte sie für den Weitertransport zur kleinen Fischerinsel San Carlos provisorisch mit drei Stichen. Hier wartete bereits ein überraschend schmutziger und schlecht ausgestatteter Krankenwagen und brachte den Arzt und Frank in ein Minikrankenhaus. Ein lokaler Arzt plus Krankenschwester übernahmen die weitere Versorgung. Seit der Verwundung waren bisher mehrere Stunden vergangen. Nach Zahlung von umgerechnet 50.- US$ an den lokalen Arzt wurde Frank mit einem Antibiotikum und Paracetamol versorgt und zurück auf die Lady gebracht. Der Arzt hatte geraten, die nächsten vier Tage weder ins Wasser zu gehen noch zu tauchen. Da die Schmerzen erträglich blieben, konnte das Paracetamol für den nächsten Zwischenfall aufgehoben werden. An den ersten beiden Tagen wurde der Verband täglich gewechselt. Wegen der guten Abheilung genügte an beiden Folgetagen ein weites T-Shirt zur Abdeckung beider Wunden. Nach Absprache mit dem Kapitän der Lady wurde das Tauchen bereits nach fünf Tagen wieder aufgenommen. Wegen der mechanischen Belastung durch die Gurte des Jackets wurde das Nahtmaterial aber erst in Deutschland entfernt, also 17 Tage nach dem zweiten Nähen. Frank ist ein mehrfacher Glücksfisch. Der fluguntaugliche Schwertfisch hätte gut auch eine Halsschlagader treffen können. Bei einer Verletzung dieses wichtigen Gefäßes wäre das Ganze deutlich schlechter ausgegangen. Frank hatte zusätzlich damit Glück, dass ein Marine-Schnellboot in der Nähe stationiert war und ihn mit 80 km/h zum lokalen Krankenhaus brachte. Letztlich ist er auch mit den niedrigen Kosten richtig gut weggekommen. Zu guter Letzt: Hatte Frank einen Tauchunfall? Nein, er hatte einen Unfall beim Tauchen. Seine ganze taucherische Kompetenz hat ihn nicht vor dem spielenden Schwertfisch bewahrt.
Unser Autor:
Dr. Jochen D. Schipke
DUC Düsseldorf