INTERVIEW: PHILIPP FUCHS

»Darf kein Tabuthema sein: Sexualisierte Gewalt im Sport«

Philipp Fuchs

Unser VDST-Beauftragter für die Prävention sexualisierter Gewalt

Bei einer von Reinhard Schottmüller per Zoom organisierten Trainerfortbildung Ende Januar mit etwa 50 Teilnehmern referierte der VDST-Beauftragte für Prävention sexualisierter Gewalt, Philipp Fuchs, zum Thema. 

VDST sporttaucher: Warum ist das Thema „Prävention sexualisierte Gewalt“ im Sport relevant?
Philipp Fuchs: Der Tauchsport ist in allen seinen Sparten ein körperbetonter Sport. Deshalb tragen Vereine und Verbände eine große Verantwortung für das Wohlergehen aller Engagierten und Aktiven. In unseren Vereinen trainieren und engagieren sich Menschen aller Altersgruppen, Mädchen, Jungen, Jugendliche, Frauen und Männer. Sie alle sollen ihren Sport frei von Angst vor Übergriffen und jeglicher Form von Gewalt ausführen können. Damit gehen alle, die sich im Verein engagieren, die Verpflichtung ein, sich aktiv für den Schutz vor sexualisierter Gewalt einzusetzen. Diesen Auftrag zum Schutz vor sexualisierter Gewalt haben wir in der Präambel des VDST Schutzkonzepts formuliert. Dort heißt es: „Die körperliche und emotionale Nähe, wie sie im Tauchsport entstehen kann, birgt die Gefahr von Übergriffen. Eine Kultur der Aufmerksamkeit und des Handelns Verantwortlicher muss daher dazu beitragen, Betroffene zum Reden zu ermutigen, potenzielle Täter abzuschrecken und ein Klima zu schaffen, welches Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene – mit und ohne Behinderung – sowie für den VDST aktive Funktionsträger im Sport vor sexualisierter Gewalt schützt.“ Dies ist nicht nur ein verbandsinterner Auftrag, sondern ein gesellschaftlicher, der uns auch vom Gesetzgeber her in die Pflicht nimmt.

sporttaucher: Wie bist du zum Thema gekommen?
Philipp: Ich war langjähriger katholischer Seelsorger in der Justizvollzugsanstalt in Freiburg und habe dort viel mit Sexualstraftätern zu tun gehabt. In der Folge habe ich mich mit dem Thema sexualisierter Gewalt in Institutionen befasst und mich zum Fachberater für die Erzdiözese Freiburg weitergebildet. Danach war ich dort fünf Jahre als Präventionsbeauftragter tätig. Dass dieses Thema nicht nur ein Thema ist, das kirchliche Institutionen betrifft, wurde mir dann sehr schnell klar. Da war es nur noch ein kleiner Schritt, das Anliegen Prävention von sexualisierter Gewalt in meinem Verein in Freiburg zu thematisieren und mich im Landesverband und schließlich im VDST einzubringen.

sporttaucher: Welche Fehler machen die Zuständigen wie Trainer:innen oder die Vereinsleitung häufig?
Philipp: Ich weiß nicht, ob hier von Fehlern gesprochen werden kann. Was mir sehr häufig begegnet, ist eine Sprachlosigkeit und eine Verunsicherung, wie mit Fragen zum Thema umgegangen werden kann beziehungsweise muss. Vielfach wird das Thema „sexualisierte Gewalt“ tabuisiert. Oder es besteht die Befürchtung, wenn man dieses Thema bearbeitet, selbst damit „ein Problem“ zu haben. Aber, gerade dann, wenn eine unangemessene Situation, ein Übergriff oder ein Missbrauchsfall auftritt, sind die Verantwortlichen vielfach überfordert. Hier dann fachlich richtig und angemessen zu reagieren, ist eine große Herausforderung.

sporttaucher: Welche Maßnahmen und Vorgehensweisen sorgen für eine sichere Umgebung beim Sport im Rahmen der Möglichkeiten?
Philipp: Die Dachverbände des organisierten Sports in Deutschland setzen sich dafür ein, dass Vereine ein Schutzkonzept und ein Verfahren entwickelt haben, wie im Falle einer Vermutung oder eines Verdachts zu handeln ist. Auf VDST-Ebene haben wir für unsere Vereine und Verbände in den vergangenen Jahren Arbeitshilfen entwickelt, die die Verantwortlichen in unseren Vereinen und Verbänden unterstützen sollen. Jeder Verein / Verband entwickelt ein Schutzkonzept, in dem beschrieben ist, wie mit welchen Maßnahmen der Kinder- und Jugendschutz gewährleistet wird. Wie die konkrete Umsetzung dann in die Vereinsstrukturen und -abläufe geschehen kann, haben wir in einer Arbeitshilfe detailliert beschrieben. Nach erfolgter Risikoanalyse werden konkrete Maßnahmen beschrieben und beschlossen und in die Statuten, Ordnungen und Satzung aufgenommen. Die Maßnahmen sollen natürlich nicht nur auf dem Papier stehen, sondern es braucht auch eine kontinuierliche Entwicklung einer „Kultur der Achtsamkeit“ im Vereinsleben. Ein wichtiger Schritt ist natürlich, dass im Verein/Verband alle Ausbilder:innen, Trainer:innen und Funktionsträger für den Schutz vor sexualisierter Gewalt sensibilisiert und ausgebildet sind. Durch Offenheit und Transparenz, im Gespräch und Dialog, beispielsweise im Ausbilderteam, oder bei der Vorbereitung von Maßnahmen, wie Ausfahrten oder Trainingslager, wird das Thema überlegt und besprochen. Hilfreich ist es auch zu wissen, an wen ich mich im Fall des Falles wenden kann. Gibt es Ansprech- und Vertrauenspersonen im Verein oder sind Kontaktdaten zu externen Fachberatungsstelle (zum Beispiel Wildwasser e.V., oder Nummer gegen Kummer, www.nummergegenkummer.de) bekannt? Dazu haben wir Infoblätter für Kinder und Jugendliche und für Ausbilder:innen und Trainer:innen entwickelt. Nicht die Tatsache, dass es in der eigenen Organisation zu Übergriffen kommen kann, diskreditiert den Tauchverein, sondern allenfalls ein unprofessioneller Umgang damit.

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