UNTER DRUCK
Für die schnelle und kompetente Behandlung von Tauchunfällen sind Druckkammern essenziell. Die hyperbare Sauerstofftherapie, wie sie dort angewandt wird, hat ihre Wurzeln in der Tauchmedizin.
Als Erstes kam ein Ingenieur – A. W. Moir – im Jahre 1885 auf die Idee, verunfallte Druckluft-Arbeiter in einer Rekompressionskammer dem zuvor unterworfenen Überdruck erneut auszusetzen und mit Hilfe einer regelgerechten Dekompression die Folgen zu heilen oder zu lindern. Ergänzt um die Atmung medizinisch reinen Sauerstoffs entstand daraus die hyperbare Sauerstofftherapie (HBO). Diese Behandlung ist heute weltweiter Standard bei der Dekompressionskrankheit. Zunächst für Berufstaucher und Caissonarbeiter mit Dekompressionsproblemen entwickelt, nahmen auch Sporttaucher die Druckkammer in Anspruch. Die Druckkammertherapie hat wissenschaftlich nachweisbare Effekte bei einer Vielzahl von Erkrankungen und wird nicht nur beim Tauchunfall eingesetzt. Leider ist die HBO2- Behandlung immer noch viel zu wenig bekannt oder wird mit anderen Therapien, die „Sauerstoff“ in ihrem Namen haben, verwechselt.HBO wirkt auf Gewebe mit akutem O2-Bedarf, in denen dieser durch gefäßbedingte Durchblutung nicht sichergestellt ist: Bei einer Gasbrand-Entzündung kann sie lebensrettend sein und bei einer Rauchgasvergiftung neurologische Spätschäden verhindern. Die positive Wirkung der HBO ist auch bei Wundheilungsstörungen wie dem Diabetischen Fußsyndrom, aseptischen Knochennekrosen an Schulter, Hüfte, Knie und Fußwurzel sowie Bestrahlungsspätfolgen und akuten Hörstörungen wissenschaftlich belegt. Nationale und internationale Kongresse der Fachgesellschaften für Tauch- und Hyperbarmedizin finden regelmäßig statt. Der unter Wasser als Nebenwirkung von O2-Atmung gefürchtete Sauerstoff-Krampf ist in der Druckkammer sehr selten und überdies harmlos, da sich in der Therapie-Druckkammer während der gesamten Behandlungsdauer Luft in normaler Zusammensetzung befindet, und kein Wasser. Man kann also nicht ertrinken und auch nicht unkontrolliert auf- oder absteigen wie beim Tauchen. Der Behandlungsdruck wird durch den Druckkammerbediener am Kontrollpult („Fahrstand“) eingestellt und überwacht, wie auch noch viele andere Parameter. In Deutschland gibt es ein Netz von aktuell 17 Druckkammern. Im badischen Teil Baden-Württembergs gibt es außer in Freiburg, Karlsruhe und Heidelberg noch die Druckkammer des Badischen Tauchsportverbands im Überlinger Krankenhaus am Bodensee. Das Erkennen eines Tauchunfalls mit zunächst nur leichter Symptomatik kann vor Ort für den Betroffenen schwierig sein. Wichtig ist, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen! Die Meinung des Tauchers, keinen „Fehler“ gemacht zu haben, führt oft zur zeitlichen Verzögerung der dringend notwendigen HBO Therapie. Auch den Tauchpartner zu informieren, wird gelegentlich unterlassen. Als Sofortmaßnahme empfiehlt sich, O2 schon am Unfallort über eine dicht sitzende Maske zu atmen. Je nach Schwere des Tauchunfalls ist der Rettungsdienst zu verständigen, lebensrettende Sofortmaßnahmen werden selbstverständlich sofort vor Ort durchgeführt. Sobald es vom Ablauf her möglich ist, sollte die tauchmedizinische Beratung starten, zum Beispiel über den VDST-Hotline-Arzt. Beim Verdacht auf Tauchunfall wird der Taucher in einer Druckkammer angemeldet. Verzögerungen müssen unter allen Umständen vermieden werden. Selbst bei milden Symptomen (DCS1) ist eine vollständige, spontane Ausheilung ohne Therapie nicht sicher! Weitere Informationen stehen in der Leitlinie Tauchunfall der Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin (GTÜM e.V.), dort ist auch der Ablauf für die Druckkammerbehandlung eines Tauchers mit Dekompressionserkrankung aufgeführt. Zu guter Letzt: Zur guten Vorbereitung auf einen Tauchgang im In- oder Ausland sollte auch gehören, sich vorab über den Standort und die Erreichbarkeit der nächstgelegenen Druckkammer zu informieren.
Weitere Infos:
Fachgesellschaften für Tauch- und Hyperbarmedizin
VDD Verband deutscher Druckkammerzentren
GTÜM Deutsche Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin
SUHMS Swiss underwater and hyperbaric medical society
ÖGTH Österreichische Gesellschaft für Tauch- und Hyperbarmedizin
EUBS European underwater and baromedical society
UHMS Undersea and Hyperbaric Medical Society (USA)
BSAC British Sub Aqua Club
SPUMS South Pacific Underwater Medicine Society
Unser Autor:
Dr. med. Konrad Meyne
Internist, Notarzt, Taucherarzt
Stv. VDST-Bundesverbandsarzt, Hotlinearzt, TL2