FUERTE
Die Unterwasserwelt der Kanarischen Inseln hat bei europäischen Tauchern seit über 50 Jahren einen besonderen Ruf im Reigen der Tauchreiseziele. Grund sind kurze Flugzeiten dorthin sowie vielfältige Arten von Meeresbewohnern.
Steckbrief: Fuerteventura basis »Deep Blue Dive Center«
Wo: Kanarische Inseln, Fuerteventura, Caleta de Fuste
Wann: Beste Reisezeit von April bis Mitte Dezember
Warum: Weil hier von Nacktschnecken, großen Schwärmen bis zu Engelhaien und Mantas alles möglich ist.
Besonderheiten: Außer am Hausriff nur Bootstauchgänge
Kosten: Tauchpakete gestaffelt, z.B. 9-12 TG je TG 37,- €, Hotel ab etwa 90 Euro pro Tag/Person
Weitere Infos: www.deep-blue-diving.com und www.aquaactive.de
In Kooperation mit »DivingEurope« https://joom.ag/nhta
Das Kanarenarchipel in Höhe der Küste Marokkos ist vulkanischen Ursprungs. Hier wachsen keine Korallenriffe, dafür präsentiert sich die Fauna im Ostatlantik überaus abwechslungsreicher. Bei Wassertemperaturen zwischen circa 20 Grad im Winter und 24 Grad im Sommer fühlen sich Tierarten, deren Verwandte im Mittelmeer zuhause sind, ebenso wohl wie solche, die in ähnlicher Form in den Tropen leben. Das gilt logischerweise auch für Fuerteventura. Die geologisch älteste und zweitgrößte Kanareninsel liegt gerade mal 97 Kilometer östlich der afrikanischen Küste, wartet ganzjährig mit angenehm warmen Temperaturen auf. Die beste Reisezeit für Taucher sind die Monate März bis Mitte Dezember. Abgesehen von der kurzen Flugzeit für uns besonders erfreulich: Bei der dem Airport nächstgelegenen Tauchbasis flattert am Fahnenmast auf dem Anlegesteg für die Schlauchboote ein großes Banner mit dem VDST-Signet. Die deutsch-schwedische Basis Deep Blue Diving in der Mitte der Ostküste Fuerteventuras ist im Verband keine Unbekannte. Seit ihrer Gründung 1984 in der Caleta („Bucht“) de Fuste VDST/CMAS-zertifiziert gehört die Tauchschule seit 1999 Volker Berbig aus Ulm und Roland Martensson aus Schweden.
Seit langem finden hier regelmäßig VDST-Tauchlehrer-Prüfungen statt. Gelegentlich kommen sogar die Taucher der Königlich-Britischen Marine für ein paar Trainings- und Ausbildungstage her. Eine weitere Besonderheit der Basis: Sie ist vom Bürgersteig bis zum Bootssteg barrierefrei. Geht da noch mehr? Eines hätten wir da noch. Die ersten Übungen für Taucheinsteiger finden im basiseigenen, brusttiefen und etwa acht mal vier Meter großen Meerwasserpool statt. Der liegt unmittelbar am Jetty und hat Unterwasser Ausgänge zum Hausriff. Das ist an dieser Stelle nur drei Meter tief, aber es gibt Taucher die gar nicht genug davon bekommen können. Zudem ist es ein ebenso sicherer wie einfacher Nachttauchplatz – und der einzige Spot, der von Land aus betaucht wird. Mit schnellen Festrumpf-Schlauchbooten fährt Deep Blue Diving 18 Plätze an. Die liegen in den drei Abschnitten Castillo Reef, Nuevo Orizonte Reef und Salinas Reef. Grundsätzlich wird an verankerten Mooringbojen festgemacht. Fahrtzeiten zwischen fünf und 20 Minuten bedeuten schnell am Ziel und nach dem Unterwasserabenteuer schnell wieder zurück an der Basis zu sein. Welche Qualität das Tauchrevier hat beweist auch, dass Basen im Süden der Insel Tagesausflüge (mit dem Auto oder Minibus) hierher machen. Die Riffe vor der Insel bestehen aus urgeschichtlichem Lavagestein. Tut das dem Tauchspaß irgendeinen Abbruch? Keine Spur; schließlich sorgt eine immens große Vielfalt an Meeresbewohnern für jede Menge Leben und Abwechslung. Es bietet sich ein buntes Portfolio an Tierarten mit einer Spanne von den nur zwei Zentimeter kleinen Blaupunkt-Seehasen bis hin zu Mantas. Letztere sind natürlich ebensowenig Tagesgäste wie gelegentlich gesichtete Hochseehaie. Zur auffälligen Stammbesetzung zählen auf jeden Fall große Zackenbarsche und Stachelrochen. Neben der Fauna sind die Unterwasserlandschaften selbst die Protagonisten des Tauchgebiets. Einiges was sich da im Meer (und nicht weit vom Ufer entfernt) längs der Küste entlang zieht, darf durchaus als spektakulär bezeichnet werden. So wie am Nuevo Orizonte („Neuen Horizont“). Das Riffprofil sieht an einer Stelle aus, als wäre es von einem Steinmetz gestaltet worden: unzählige verschieden hohe und beinahe quadratische Stelen wirken wie in mehreren Reihen nahtlos nebeneinander aufgestellt. Das Copyright hat aber allein Mutter Natur. Der Platz Canyon wiederum ist genau das, was der Name sagt: eine enge, vom Riffdach circa 15 Meter hinab reichende Schlucht. Um sich vorzustellen, wie sich der Spot Amphitheater darstellt, braucht es ebenfalls nicht viel Fantasie. Dort hat sich nahe der Mooring das zehn Meter tiefe Riffdach einen Halbkreis gebildet. Der fällt in Stufen zunächst auf rund 15 Meter und dann bis zum knapp über 20 Meter tief liegenden Sandgrund ab. Strömungen gibt es um Caleta de Fuste zwar selten und wenn, sind sie meist mäßig. Trotzdem scheint es, als sei hier ein bevorzugter Liegeplatz für Stachelrochen. Kleinere Exemplare wie Vertreter der Runden Stechrochen verstecken sich gerne unter hier und da vorhandenen flachen Überhängen in der mittleren Etage. Auf dem tieferen Grund liegen dagegen oft ausgewachsene Gewöhnliche Stachelrochen. „Zwar beträgt die durchschnittliche Länge der Tiere eher einen Meter“, erzählt Volker Berbig, „aber hier sehen wir immer wieder mal Riesen mit gut zwei Meter Länge – da ragt der Körperbuckel kniehoch über den Meeresboden.“ Zu den Top-Drei-Tauchgebieten Fuerteventuras zählt das 1,5 Kilometer lange Salinas Reef. Mirador ist einer der zwölf Tauchplätze dort. Die Steilwand fällt vom Riffdach senkrecht auf über 20 Meter. An der bis zu 42 Meter tiefen Außenseite eines der gigantische Felsen vor der Kante wachsen ab 30 Meter Kaltwasserkorallen. Die kleinen Kolonien dieser Baumkorallen offenbaren im Licht der Unterwasserlampe orangerote Äste und weiße Polypen. Ebenfalls am Salinas Reef: der Spot Tesoro Negro („Schwarzer Schatz“). Er beheimatet die buschigen Schwarzen Korallen des Ostatlantiks. Mit ihren tropischen Verwandten haben sie gemein, dass sie eher Rostrot denn Schwarz erscheinen. Und dann gibt es noch eine Art mit Verwandten im Mittelmeer und den warmen Meeren, die aber ganz anders aussieht als diese. Die Makaronesien-Krustenanemone bildet Kolonien, die auf den ersten Blick einer unkoordiniert wuchernden, vielfach verzweigten Drahtkoralle ähneln. Apropos Makaronesien: der Begriff kommt vom gleichnamigen Archipel, das damit die „Die Glücklichen Inseln“ bezeichnet. Zu ihnen gehören die Kapverden, die Kanarengruppe, Madeira und die Azoren. Sie werden zusammengefasst, weil sie alle durch den urzeitlichen Hotspot-Vulkanismus entstanden sind. Unter Wasser tragen nicht nur die Krustenanemonen den Begriff im Namen, sondern auch die Makaronesien-Zackenbarsche. Schlanker und mit mehr Flecken als der Braune Zackenbarsch (hier ebenfalls häufig vertreten) ist die Art gelegentlich in einer Zahlenstärke zwischen 30 und 100 an einem Tauchplatz zu sehen. Einzelgänger sind dagegen die ungewöhnlich aussehenden Atlantischen Engelhaie. Mit ihrem flachen Körper liegen sie gerne gut getarnt auf dem Meeresboden und werden daher gelegentlich mit Rochen verwechselt. Spätestens wenn ein Engelhai aus dieser Haltung heraus seinen Oberkörper anhebt, die Kiefer entsperrt und sein großes, zahnbewehrtes Haimaul präsentiert, sind jedoch alle Zweifel verflogen. Attraktionen direkt am Riff sind die zahlreiche Putzerstationen. An denen verrichten vornehmlich Weißband-Putzergarnelen ihre Arbeit. Farbkleckse sind die im Ostatlantik typischen Keulenanemonen. Bunte Schwämme in Krusten- oder Röhrenform bringen hier und da Farbe in die Unterwasserlandschaft. Bei all dem sollte nie der regelmäßige Blick ins Freiwasser vergessen werden. Gut – wer plötzlich von einem dichten Sardinenschwarm umhüllt ist, braucht dafür keine Ansage mehr. Aber es gibt ja auch unauffällige Jäger wie große Bernsteinmakrelen, Thunfische und Barrakudas. Letztere sind atlantiktypisch mal in Schulen, aber auch als große Einzelgänger zu beobachten. Und auch wenn das die absolute Ausnahme ist: selbst diverse Walarten ziehen an den Felsen in tauch(er)freundlichen Tiefen vorbei. Auf Fuerteventura dürfen Landausflüge nicht fehlen. Dafür empfiehlt sich unbedingt ein Mietwagen; so ist das Naturschutzgebiet der Dünen bei Corralejo im Norden ebenso leicht zu erreichen wie die endlosen Strände der Costa Calma. Hinter Morro Jable auf der Halbinsel Jandia führt eine gut befahrbare Schotterpiste bis zum Leuchtturm an der äußersten Südspitze der Insel. Auf dem Weg dahin liegt der Abzweig an die wilde Westküste. Vom Aussichtspunkt auf der Höhe zeigt die sich mit steter starker Brandung. Weil selbst Baden dort lebensgefährlich ist, liegen die Tauchreviere an der Ostküste. Und die bieten ja – siehe oben – viel Unterwasserspaß ganz ohne Stress.
Unser Autor:
Frank Schneider
ist Co.-Herrausgeber der diving Europe