PFO – DIE UNENDLICHE GESCHICHTE TEIL1
Ist das Persistierende Foramen ovale das Damoklesschwert des Tauchers?
Ein Fall-Beispiel:
Norbert ist ein erfahrener Taucher. Mit seinen 42 Jahren ist er 3-Stern-Taucher und hat eine Taucherfahrung mit über 400 Tauchgängen. Daher wagt er auch, anspruchsvollere Tauchgänge zu unternehmen. Südfrankreich ist sein bevorzugtes Tauchgebiet. An jenem Tag ist ein Wracktauchgang an der „Donator“ vorgesehen, immerhin 42 Meter tief. Sein Tauchcomputer zeigt ihm eine Dekostufe auf neun Meter auf, das Austauchen ist problemlos, allerdings herrscht etwas Strömung, gegen die zunächst angetaucht werden muss. Im geräumigen Boot geht es in den Hafen von Giens zurück. Schon während der Bootsfahrt tritt ein heftiger Drehschwindel auf. Norbert muss sich mehrfach übergeben. Die Bootscrew gibt Sauerstoff, beim Eintreffen im Hafen geht es ihm besser. Zurück in Deutschland ist der Vorfall vergessen, die tauchsportärztlichen Untersuchungen ergeben keine Einschränkungen.
Ein Jahr später ereignet sich an genau dem gleichen Tauchplatz ein identischer Tauchunfall: trotz regelkonformem Auftauchen an Bord wieder heftigster Schwindel und Erbrechen. Da auch nach Sauerstoffgabe keine Besserung eintritt, wird nach Absprache mit dem Taucherarzt der VDST-Hotline eine Druckkammerbehandlung eingeleitet.
An seinem Heimatort werden umfangreiche Untersuchungen gemacht, die den Verdacht auf einen Innenohr-Dekompressionsunfall ergeben. Aber warum ein zweites Mal? Die tauchsportärztlichen Untersuchungen waren immer einwandfrei. Eine Kernspintomografie des Gehirns mit kleinsten „Flecken“ veranlasst seinen Taucherarzt, ein „Schluckecho“ durchführen zu lassen. Diese Ultraschall-Untersuchung der Herzkammern über die Speiseröhre mit einem kräftigen Pressversuch wie beim Druckausgleich löst das Rätsel: Es besteht ein großes „persisitierendes Foramen ovale“.
Norbert ist ratlos. Ist das das Ende seiner Taucherkarriere? Immerhin steht die Trainer C-Ausbildung an.
Was ist ein „PFO“?
Beim persistierenden Foramen ovale (PFO) handelt es sich um eine segelförmige Öffnung zwischen dem rechten und linken Vorhof des Herzens. Dieses „Loch“ ist in der fetalen Phase der Schwangerschaft die Umgehung des Lungenkreislaufes, da die Lunge noch nicht entfaltet ist. Die ersten Atemzüge des Neugeborenen eröffnen mit Einsetzen der Lungenatmung den Lungenkreislauf. Dadurch entsteht im linken Herzvorhof ein höherer Blutdruck, so dass das Segel der Vorhofscheidewand zugedrückt wird und verklebt. Aber nicht bei allen Menschen…!
Ein Foramen ovale persistens bleibt ohne Krankheitswert, solange der Druck im linken Vorhof höher ist als im rechten. Dadurch kommt es zu keinem Blutübertritt vom rechten in den linken Vorhof (Shunt), denn das Foramen ovale wird beim Druckanstieg im linken Vorhof ventilartig verschlossen. Der Verschluss ist nicht garantiert: Ein persistierendes Formanen ovale bleibt bei rund dreißig Prozent der Bevölkerung bestehen. Genauso häufig ist es bei Sporttauchern anzunehmen.
Valsalva und Co. Wen trifft es?
Ein persistierendes Foramen ovale findet sich häufig bei jungen Schlaganfallpatienten. Blutgerinnsel können aus dem rechten in den linken Vorhof gelangen und dann im arteriellen Blutkreislauf, vor allem im Hirnkreislauf zu Embolien führen. Der gleiche Mechanismus gilt für Stickstoff-Gasblasen, wie sie bei jedem Tauchgang entstehen. Gasbläschen, die eigentlich im Lungenkreislauf gefiltert werden, können über den Shunt direkt in das Gehirn gelangen.
Welche Rolle spielt „Valsalva“?
Eine der Voraussetzungen für den Übertritt der Gasblasen beim Tauchen ist die Druckerhöhung im rechten Herzvorhof, die wir zwangsläufig mit dem Valsalva-Pressmanöver zum Druckausgleich durchführen. Durch die Blutdruckerhöhung im rechten Herzvorhof wird das gasblasenhaltige Blut in den linken Vorhof gepresst und verteilt sich mit dem Körperkreislauf. Das am meisten gefährdete Strombahngebiet ist das des Gehirns. So erklären sich viele der neurologischen Beschwerden bei einem Dekompressionsunfall. So wie bei Norbert…
Ist die Gefahr eines schweren Dekompressionsunfalls bei einem PFO denn belegt? Ja, aber… Der Zusammenhang zwischen einem PFO und einem Dekompressionsunfall ist statistisch gesichert. Torti und Mitarbeiter (1) haben 2004 bei 230 untersuchten Tauchern bei 63 ein PFO (27 Prozent) nachgewiesen. Die Risikoanalyse zeigt ein DCS mit PFO bei fünf auf 10.000 Tauchgänge und ohne PFO nur eine DCS auf 10.000 Tauchgänge.
Cartoni (2) hat bei 66 Tauchern mit bestehendem PFO bei 41 eine DCS bestätigt, 25 hatten keine DCS in ihren bisherigen Tauchgängen.
Das absolute Risiko für eine klinisch relevante DCS ist sehr niedrig, sofern die Taucher sich an die internationalen Empfehlungen für sicheres Tauchen halten. Das Divers Alert Network (DAN) Register zeigt, dass ein PFO das Risiko für eine DCS vervierfacht.
Wird Norbert Trainer C?
Aus den Unfallanalysen sind Empfehlungen zum Tauchen mit PFO ableitbar. Zwei wesentliche Gesichtspunkte eines PFO sind in der Vorbeugung und Entscheidung zur Behandlung wichtig:
– Verhinderung eines (embolischen) Hirninfarktes (Schlaganfall)
– Verhinderung eines Dekompressionsunfalls (DCS) bei Sporttauchern
Die einfachste und sicherste Vorbeugung beim Tauchen wäre natürlich, auf das Tauchen zu verzichten. Das kann aber nicht im Sinne unseres Sports sein, zumal es Empfehlungen zum Tauchen mit PFO gibt. Nur man muss wissen, dass man eins hat und dann muss man sich auch an die Empfehlungen halten!
Soll ich mich auf PFO untersuchen lassen?
Bisher gibt es keine Empfehlung, bei Sport- und Freizeittauchern generell nach einem PFO zu suchen und zu handeln. Im „DIVE-PFO-Register“ (3) wird der Frage nachgegangen, inwieweit ein risikoadaptiertes Screening erfolgversprechend sein kann. Die Analyse zielt darauf ab, jene zu identifizieren, die bei einem PFO das höchste DCS-Risiko aufweisen. Insgesamt 616 Taucher zwischen 25 und 45 Jahren sind für das Register ausgewertet. Um nachzuweisen, wer ein PFO hat, sind die Kandidaten mit einer „transcraniellen farbcodierten Duplexsonografie“ (Ultraschalluntersuchung einer Hirnarterie) gescreent und in drei Schweregrade eines PFO eingeteilt. Eine transösophageale Echokardiographie (TEE) ist bei denjenigen Tauchern mit hochgradigem PFO oder DCS in der Vorgeschichte erfolgt.
Screening kann DCS reduzieren
Bei 145 der gescreenten Taucher wird ein hochgradiges PFO nachgewiesen, 106 Taucher haben ein niedriggradiges PFO und 365 Taucher sind „PFO-frei“. 55 der 145 Taucher mit hochgradigem PFO entscheiden sich für einen PFO-Verschluss, die anderen 90 für eine konservative Tauchstrategie. 106 Taucher mit niedriggradigem PFO nehmen die Empfehlung für konservatives Tauchen („Tauchen mit PFO“) an. 365 Taucher ohne PFO in der Kontrollgruppe tauchen regelkonform.
Der Gewinner: regelkonformes Tauchen! Die Auswertung zeigt, dass in allen drei Gruppen mit den durchgeführten Maßnahmen die DCS-Inzidenz im Vorher-Nachher-Vergleich sinkt. Konservative Tauchstrategien und PFO-Verschluss verhindern Dekompressionsunfälle. Taucher mit hochgradigem PFO und rein konservativem Tauchverhalten wiesen ein geringfügig höheres Risiko auf als in den drei anderen Gruppen. Nach PFO-Verschluss ist kein DCS-Ereignis aufgetreten. Ein geringgradiges PFO ist bei regelkonformen Tauchen in gleichem Maße risikobehaftet wie die Kontrollgruppe. Zusammenfassend zeigt die Auswertung von Tauchern in der Kontrollgruppe, in der Gruppe mit hochgradigem PFO und PFO-Verschluss und in der Gruppe mit niedriggradigem PFO und konservativem Tauchverhalten keinen Dekompressionsunfall bei 95 Prozent der Taucher innerhalb von fünfhundert Tauchgängen
Tauch-Karriere-Stopp durch PFO?
Nein. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass das DCS-Risiko bei Einhaltung der internationalen Tauchempfehlungen so niedrig ist, dass sich bei einem Screening („Vorsorgeuntersuchung“) Fragen des Kosten-Nutzen-Verhältnisses stellen. Eine generelle Empfehlung zur vorbeugenden Erkennung eines erhöhten DCS-Risikos durch ein persistierendes Foramen ovale hat keine Gültigkeit mehr. Selbst die „TEC“-tauchende Schar ist davon abgerückt. Die im „DIVE-PRO“-Register vorgeschlagene Screening-Strategie und ein daraus abgeleiteter PFO-Verschluss können eine bedenkenswerte Option sein für (semi)-professionelle Taucher mit hoher Tauchfrequenz. Regelkonformes „konservatives“ Tauchen ist eine bei sehr sicherheitsbewussten Tauchern geeignete Option, das DCS-Risiko noch weiter zu senken, unabhängig davon, ob der PFO-Status bekannt ist oder nicht.
Fortsetzung folgt: Norberts Entscheidung!
Teil 2 der „Unendlichen Geschichte“
beantwortet eure Fragen: Welche Untersuchungen sind empfehlenswert? Brauche ich ein PFO-Schirmchen? Kann ich mit einem Schirmchen wieder tauchen?
Unser Autor:
Dr. med. Konrad Meyne
Internist, Notarzt, Taucherarzt
VDST-Beauftragter Tauchen im Alter Hotlinearzt, TL2