AUGEN AUF
Seh-Störungen beim Tauchen gefährden die Sehkraft
– zwei Fallbeispiele
Erkrankungen der Augen werden in der Tauchsportärztlichen Untersuchung zu wenig beachtet, obgleich gerade die „best agers“ unter den Tauchern Sehstörungen aufweisen und sich der Gefahr der Erblindung ebenso wenig wie ihr Taucherarzt bewusst sind.
Fall 1… Jürgen (60) erscheint zur ersten „TTU“ bei mir. Er ist vor 20 Jahren das letzte Mal getaucht. Beruflich war er eingespannt. Jetzt, mit 60 Jahren, findet er Zeit für sein „altes“ Hobby: Tauchen! Jürgen ist körperlich fit, beruflich erfolgreich und finanziell unabhängig. Die Begeisterung zum Tauchen hat ihm zum 60. einen Tauchurlaub als Geschenk beschert; die erforderliche Ausrüstung hat er sich gleich komplett neu beschafft. Wegen der Sehstörungen hat er sich eine Tauchmaske mit eingeschliffenen Gläsern seiner Sehstärke für einen stattlichen Preis geleistet. Die Ernüchterung folgt mit der Tauchsportärztlichen Untersuchung. Alle Ergebnisse der Herz-Kreislauf- und Lungenfunktionsuntersuchung sind perfekt. Wäre da nicht die Angabe der Augentropfen…Die aufgeführten Augentropfen nehme er seit sechs Monaten. Er habe keine Veränderung seiner Sehstärke bemerkt. Eine vorangegangene Operation der Augen sei ebenfalls ohne Probleme erfolgt.
Die Diagnose Fall 1
Als Taucherarzt bestehe ich trotz bester Kondition auf einer augenärztlichen Untersuchung mit Hinweis auf die „Checkliste Tauchtauglichkeit“ der GTÜM. Genau dort ist die Diagnose eines „Engwinkelglaukoms“ als absolute Kontraindikation zum Tauchen aufgeführt. Das Glaukom – im Sprachgebrauch Grüner Star – geht mit einer Erhöhung des Augeninnendrucks eines oder beider Augen einher. Ursache kann eine Abflussbehinderung des Kammerwassers im Auge sein. Die Augeninnendruckerhöhung schädigt den Sehnerv mit der Gefahr der Erblindung. Tauchen ist deshalb gefährlich, weil es zu einer Erhöhung des Augeninnendruckes kommen kann, vor allem bei einem sog. Engwinkelglaukom. Der erhöhte Umgebungsdruck beim Tauchen schädigt den Sehnerv und Erblindung droht. Der Augenarzt ermittelt über eine Augeninnendruckmessung den Druck und entscheidet über eine notwendige Behandlung. Die Untersuchung wird als Vorsorgeuntersuchung angeboten, muss jedoch im Einzelfall als Individuelle Gesundheitseigenleistung vom Patienten bezahlt werden. Mit steigendem Alter nimmt der Grüne Star zu, so dass älteren Taucherinnen und Tauchern diese Vorsorgeuntersuchung empfohlen werden kann.
Fall 2… Wilhelm (64 Jahre) ist mit seinem Wohnmobil auf Tauchtour in Norwegen. Bei strahlendem Sonnenschein hält er die vielen schwarzen Flecken auf der Windschutzscheibe während der Autofahrt für einen Riesen-Mückenschwarm. Der Scheibenwischer bringt keine Abhilfe. Mit dem rechten Auge bleibt der Blick durch diese „Rasterlochplatte“ getrübt, mit links ist alles klar – erneuter Versuch, gleiches Resultat. Wilhelm glaubt an eine flüchtige Sehstörung, die er vor vielen Jahren schon einmal hatte und die von seinem Augenarzt als „Mückenschwarm“ als harmlos beurteilt war. Aber jetzt? Er sieht deutlich schlechter, manchmal blitzt es im Auge. Es wird schon besser werden, denkt er sich und fährt weiter – der Tauchurlaub steht an! Nach den faszinierenden Tauchgängen in den Fjorden Norwegens scheinen die Mückenschwärme verdrängt. Die Blitze und die verminderte Sehschärfe des rechten Auges bleiben. In Deutschland zurück hat Wilhelm einen sofortigen Termin bei seinem Augenarzt (auch Taucher) vereinbart.
Die Diagnose Fall 2
Die Beurteilung des Augenhintergrundes gibt Gewissheit: es besteht eine Glasköperabhebung, eine Vorstufe einer Netzhautablösung. Die Erklärung ist simpel: das kommt so mit dem Alter… Wilhelm wird unmittelbar gelasert, um einer weiteren Abhebung vorzubeugen. Nach zwei Wochen hellen sich die „Mückenschwärme“ auf.
Tauchtauglich?
Bei einer Glaskörperabhebung bestehen keine Einschränkungen der Tauchtauglichkeit. Schwere körperliche Belastungen sollten wie bei anderen Alltagsverrichtungen bei diesen Beschwerden vermieden werden. Eine spezielle weitere augenärztliche Behandlung ist meist nicht erforderlich, allerdings sollten regelmäßige Kontrollen des Augenhintergrundes erfolgen.
Zusammenfassung
Sehstörungen infolge von Augenerkrankungen bedürfen immer einer augenärztlichen Abklärung. Einschränkungen der Sehschärfe können mit tauchmaskenintegrierten Sehhilfen oder Kontaktlinsen so ausgeglichen werden, dass keine sicherheitsrelevanten Visusverminderungen bestehen. In der GTÜM-Checkliste werden „Sehhilfen“ ab einer Sehschwäche von 2 Dioptrien empfohlen. Durchblutungsstörungen der Augen und Augeninnendruckerhöhungen bedürfen einer genauen Untersuchung zur Abschätzung des Risikos durch das Tauchen zu erblinden. Hier ist eine enge Abstimmung zwischen Taucherarzt und Augenarzt hilfreich, das Tauchen auch mit diesen Erkrankungen noch sicher zu machen.
Jede(r) Taucher(in) sollte bei Sehstörungen bei der augenärztlichen Untersuchung die Frage nach der Tauchtauglichkeit stellen. Mit dem Befundbericht kann der untersuchende Taucherarzt feststellen, ob eine Gefährdung durch das Tauchen infolge der Erhöhung des Umgebungsdruckes drohen kann. Informationen sind erhältlich über die Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin e.V., die VDST-Verbandsärzte und die Taucherärzte, wie sie in der GTÜM-Liste aufgeführt sind.
Unser Autor:
Dr. med. Konrad Meyne
Taucherarzt, stv. Bundesverbandsarzt, TL 2, Goslar