URLAUBS STOPP?
DEN KOHLENDIOXID-FUSSABDRUCK BEI EINERTAUCHREISE REDUZIEREN? JA, GEHT, DURCH KOMPENSIEREN
Wir fliegen mit einem Jumbo, der pro Stunde durchschnittlich zehn Tonnen Kerosin verbrennt zu unseren tropischen Tauchreisezielen, fahren mit alten Schiffsdieselmotoren zum Tauchplatz und springen dann mit Tauchflaschen ins Wasser, in die man zuvor mit viel Energie komprimierte Luft gefüllt hat.
Klimawandel
Es wird Zeit, dass wir uns mal wieder Gedanken über unseren Natursport Tauchen machen. Der erst kürzlich veröffentlichte Bericht des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) führt uns vor Augen, das vermutlich mehrere Millionen Arten in den kommenden Jahren und Jahrzehnten vom Aussterben bedroht sind, wenn es zu keinen grundlegenden Änderungen bei der Landnutzung, beim Umweltschutz und der Eindämmung des Klimawandels kommt. Die Biodiversität in Binnengewässern ist besonders stark bedroht – etwa zwei bis drei Mal so schnell wie im Meer oder an Land schreitet der Artenverlust in Flüssen, Seen und Feuchtgebieten voran.
Zentrale Herausforderung
Der Klimawandel ist dabei eine der zentralen Herausforderungen. Um diesem entgegenzuwirken, hat sich die Europäische Union (EU) im Rahmen des Pariser Abkommens verpflichtet, ihre Kohlendioxid-Emissionen bis 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. Im November 2018 legte die Europäische Kommission eine langfristige Strategie für die EU vor, um bis 2050 eine klimaneutrale, moderne und wettbewerbsfähige Wirtschaft zu erreichen. Doch was bedeutet das für die Tauch- und Reisebranche? Was bedeutet das für unseren Tauchsport? Lässt sich der Kohlendioxid-Fußabdruck bei einer Autofahrt zum nahen Tauchgewässer noch dadurch reduzieren, dass wir nicht alleine, sondern zu mehreren im Auto sitzen – was sowieso mehr Spaß macht – so wird das bei einer entfernteren Reise schwieriger. Vermeidung und Reduzierung von Kohlendioxid sind immer das Beste. Wenn das aber nicht geht, dann ist zumindest eine Kohlendioxid-Kompensierung sinnvoll.
Ablass-Handel?
Es geht hierbei nicht um ein „Freikaufen“, sondern zum einen um die Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung, dass wir es hier mit wertvollen Ressourcen zu tun haben und zum anderen um einen Technologietransfer. Denn die Spenden unterstützen beispielsweise Entwicklungshilfeprojekte und fördern so eine nachhaltige Entwicklung bei denen CO₂ eingespart wird.
Gemeinnützige Organisationen
„myclimate“ und „atmosfair“ sind jeweils solche gemeinnützige Organisationen die es ermöglichen den individuellen Kohlendioxid-Fußabdruck eines Fluges oder einer Autofahrt zu berechnen. In welchem Klimaschutzprojekt dann das Kohlendioxid eingespart werden soll ,bestimmst Du. Nach der Zahlung erhältst Du ein Zertifikat und eine Spendenbescheinigung, denn dein Klimaschutzbeitrag ist steuerlich absetzbar.
Klimabarometer im VDST-sporttaucher
Um ein gewisses Gefühl zu entwickeln, wie viel Tonnen Kohlendioxid für eine An- und Abreise zu unseren Tauchreisezielen freigesetzt werden, gibt es ab der kommenden Ausgabe bei jeder VDST-Reisereportage eine „Kohlendioxid-Box“ mit dem genauen Wert!Es gibt aber bereits in diesem Heft eine VDST-Tauchbasis, die sogar Tauchausfahrten und Flaschenfüllungen komplett Kohlendioxid-kompensiert anbietet
Unser Autor:
Prof. Dr. Ralph Schill
VDST- Fachbereichsleiter Umwelt & Wissenschaft
Fünf Fragen an:
Kai Landwehr
Kai Landwehr arbeitet als Verkehrsexperte bei der Stiftung myclimate in Zürich und bietet Lösungsansätze für umweltverträglicheres Handeln
VDST-sporttaucher: Kai, welche Rolle spielen Verkehrsmittel beim Kohlendioxid-Ausstoß?
Kai Landwehr: In den meisten Ländern sinken die Kohlendioxid-Emissionen aus der Industrie, aus der Landwirtschaft und bei den Gebäuden konstant. Im Bereich der Mobilität steigen sie aber an. Das liegt vor allem am Auto und wenig überraschend am Fliegen. Insgesamt ist der globale Flugverkehr zwar „nur“ für zwei bis vier Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich, aber dieser Anteil wächst und wächst, ohne dass eine klimafreundliche Alternative bereitstünde.
sporttaucher: Um die Erderwärmung zu begrenzen, dürfte jeder Mensch durchschnittlich nur ein bis zwei Tonnen Kohlendioxid pro Jahr verursachen. Wie viel entfällt auf Reiseaktivitäten?
Kai: Wenn Sie mit der Bahn oder einem voll besetztem Auto in den Urlaub fahren, bilden diese Emissionen nur einen kleinen Teil Ihres Gesamtfuβabdrucks. Wenn Sie aber für einen Tauchurlaub auf die Malediven fliegen, verursachen Sie einen Kohlendioxid-Ausstoß von mehr als drei Tonnen. Sie haben damit Ihr „Jahresbudget“ also schon um das Anderthalbfache übertroffen. Den Kohlendioxid-Fußabdruck einer Reise können Sie einfach bei myclimate online ausrechnen.
sporttaucher: Wie kann ich meiner Leidenschaft Tauchen so nachgehen, dass ich das Klima möglichst wenig belaste?
Kai: Im ersten Schritt ist es sicherlich eine bedeutend klimafreundlichere Alternative, näher gelegene Tauchreviere zu erkunden. Wenn man dies nicht alleine tut, sondern zusammen mit der Familie und Freunden, dann fallen die Autoemissionen – sofern man überhaupt ein Auto benötigt – nicht mehr so stark ins Gewicht.
sporttaucher: Einige unserer Mitglieder wollen sicher auch ihr Hobby gerne einmal in den Tropen ausüben. Wie geht man mit diesem Dilemma um?
Kai: Es ist nicht immer einfach, auf Flüge zu verzichten. Wenn man nicht verzichten kann, ob wegen des Tauchens oder aus beruflichen Gründen, gibt es nur die Alternative, Verantwortung für den eigenen Kohlendioxid-Fußabdruck zu übernehmen, diesen zu berechnen und zu kompensieren. Damit geben Sie Ihren Emissionen einen Preis, mit dem Sie aktiv Projekte unterstützen, die im gleichen Maß Kohlendioxid einsparen.
sporttaucher: Was ist das Patentrezept zum klimafreundlichen Leben und wo kann ich noch ansetzen, um meinen Tauchurlaub nachhaltig zu gestalten?
Kai: Ein Patentrezept gibt es eigentlich nicht. Mit dem Grundsatz „Emissionen vermeiden wo möglich, reduzieren soweit möglich und den unvermeidlichen Rest kompensieren“ kommt man aber schon recht weit und um den Tauchurlaub nachhaltig zu gestalten, sorgen Sie vor Ort für Wertschöpfung, kaufen Sie lokale Produkte und unterstützen Sie das lokale Gewerbe. In vielen Destinationen kämpfen die Menschen gegen Umweltprobleme, unterstützt sie dabei!
Das Interview hat Prof. Dr. Ralph Schill geführt