OSTSEESPRUNG

Corona hat die Welt im Griff. Trotzdem sind auch jetzt tolle Tauchausflüge möglich. Zum Beispiel in die Ostsee – mit vorwitzigen Delfinen


Das Tauchgerödel ist bereits gepackt, doch dann wird der Urlaub storniert und weltweit werden sämtliche Flüge gestrichen. So hat es in den vergangenen Wochen unzählige Sporttaucher erwischt, weil ihnen Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Auch Simone und ich müssen uns im Mai von unseren Urlaubsträumen verabschieden. Ärgerlich, aber gut, dass wir die Ostsee direkt vor der Haustür haben! Denn hier schauen immer wieder Meeressäuger vorbei, die man in unseren Gewässern nicht unbedingt erwartet. Sie kommen aus dem Atlantik, über das Skagerrak, weil sie vermutlich Fischschwärmen folgen. Irgendwann finden die meisten dann den Weg zurück. Selbst einen Finnwal habe ich schon in der Kieler Förde gesehen. Und nun haben wir schon seit Jahren das Vergnügen, Delfinen zu begegnen. Zuerst kamen die Großen Tümmler „Selfie“  und „Delfie“, um Kiel über mehrere Wochen einen Besuch abzustatten, dann ihr Artgenosse „Freddy“ und im vergangenen Jahr quartierte sich schließlich monatelang „Schwenteeny“ ein. Der Gemeine Delfin hielt sich mit Vorliebe ganz in der Nähe unseres Liegeplatzes in der Schwentine auf. Ganz so bequem macht es uns „Ecki“ im Mai dieses Jahres nicht. Rund eineinhalb Stunden sind wir mit dem Boot unterwegs, um in sein Revier in der Eckernförder Bucht  zu kommen – direkt neben dem Marinestützpunkt. Dort scheint der eineinhalb Meter große Meeressäuger allerdings schon auf uns zu warten. Bereits aus der Ferne sehen wir ihn springen – wieder und immer wieder. Dabei scheint er die leuchtend gelb-rote Sperrgebiets-Tonne nicht aus den Augen zu lassen. So, als wäre sie sein bester Kumpel, bleibt „Ecki“ immer in ihrer Nähe. Simone und ich wollen diese ungewöhnliche Freundschaft nicht stören und halten mit unserem Boot gebührenden Abstand. Das findet sicher auch die Bundeswehr besser, die uns aufmerksam von Land beobachtet. „Ecki“ belohnt uns dafür mit unzähligen Luftsprüngen. Wieder einmal zeigt sich, wie sozial und neugierig Delfine sind. Davon konnte ich mich besonders eindrucksvoll bereits beim Besuch von „Freddy“ überzeugen. Damals gelang es mir im Wasser kaum, den rund drei Meter großen Tümmler auf Distanz zu halten. Immer wieder kroch er mir regelrecht in die Unterwasserkamera, schmiegte sich mit seinem Körper an mich, obwohl ich wirklich nicht zu den Tauchern gehöre, die erstmal alles anfassen müssen. Zugegeben: Der Delfin – so nahe – flößte  mir ganz schön Respekt ein!  Wollte er mir zeigen, wer der Stärkere ist, ich hätte keine Chance gehabt. Doch von Drohgebärden damals keine Spur. Stattdessen auch bei ihm ein Luftsprung nach dem anderen. Warum die Tiere das tun, ist wissenschaftlich noch nicht genau geklärt. Die einen vermuten, dass die Meeressäuger sich von Parasiten befreien wollen, andere Experten wiederum sprechen von Lebensfreude und Übermut. Ich vermute in diesem Fall eher Letzteres. Es gibt viele Tauchgänge in meinem Leben, die mich sehr berührt haben, aber solch eine intensive Begegnung habe ich bisher nie wieder erlebt. Daran denke ich, als wir „Ecki“ beim Umrunden der  Sperrgebiets-Tonne beobachten. Nicht immer warten eben die besten Tauchausflüge in exotischen Gegenden. Manchmal reicht einfach  ein Blick vor unsere Haustür – nicht nur in Zeiten von Corona.


Unser Autor:
Fin Walden
Radio- und Fernsehjournalist

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