DEEP STOPPS SIND OUT

VDST Dekoexperte Michael Melter gibt Tipps zur Einstellung moderner Tauchcomputer


Deep-Stopps werden seit mehr als 20 Jahren kontrovers diskutiert. Ursprünglich vom Meeresbiologen Richard Pyle empirisch ermittelt und vorgeschlagen, galten zunächst als effizientere Variante der Dekompression. Parallel wurden blasenorientierte Dekompressionsmodelle (VPM, RGBM) entwickelt, bei denen Dekostopps schon wesentlich tiefer beginnen, als beim klassischen Bühlmann ZH-L-Modell (1983). Auf diesem basieren, neben der DEKO2000 Tabelle, alle älteren und auch die meisten neueren Tauchcomputer. Die nachgestellte Zahl (z.B. ZH-L16) zeigt die verwendete Zahl an modellhaften Geweben, den sogenannten Kompartimenten, an. Mit dem Vorschlag von Gradientenfaktoren (1998, Baker) wurde versucht, das ZH-L16 Modell konservativer und so sicherer zu machen, aber auch dem Wunsch nach tieferen Stopps gerecht zu werden. Viele Tauchcomputer mit ZH-L16C Modell bieten heute die Möglichkeit, Gradientenfaktoren (GF) vorzugeben. Jedes Modellgewebe oder Kompartiment hat einen gerade noch tolerierbaren Wert für dessen Gewebeüberdruck – den M-Wert. GFlow und GFhigh stellen die Parameter zu dessen Modifikation dar. GFhigh senkt den M-Wert für alle Kompartimente im Flachbereich ab und sorgt daher für längere Stopps im Flachbereich. GFlow senkt den M-Wert zu Beginn des Aufstiegs in der Tiefe und sorgt so für zusätzliche tiefere Stopps.

Neuere Studien haben die bessere Effektivität von Deep-Stopps jedoch widerlegen können. Hier ist in erster Linie die NEDU-Studie (2011, Doolette/Gerth/Gault) zu nennen. Auf dieser begründet die US-Navy ihre Entscheidung, bei den klassischen Modellen zu bleiben und auch künftig keine Deep-Stopps durchzuführen. Im Rahmen der Studie wurden insgesamt 390 Tauchgänge von 81 Navy-Tauchern untersucht. Die Tauchprofile waren so gewählt, dass leichte und mittlere Deko-Symptome zu erwarten waren. Die DCS-Rate war in der Gruppe mit Deep-Stopp-Profil signifikant höher. 

Auch die meisten Tauchcomputerhersteller haben sich wieder von den Blasenmodellen verabschiedet und zu ZH-L16C zurückgefunden. Wie passt nun die Studienlage zur Verwendung von Gradientenfaktoren? Wie sind diese unter Vermeidung von Deep-Stopps einzustellen, wenn ein Konservatismus (risikoärmeres Berechnungsmodell) bewahrt werden soll? Ein von Doolette vorgeschlagener Ansatz ist, die M-Wert-Gerade so zu modifizieren, dass diese etwa parallel zur Umgebungsdrucklinie läuft (Steigung ~1). Hierzu muss das Gradientenfaktorpaar die ursprünglich größere Steigung des M-Wertes ausgleichen. Der Mittelwert der unterschiedlichen Steigungen der M-Wert-Geraden aller 16 Kompartimente von ZH-L16C liegt bei etwa 1,2. Wenn nun GFlow/GFhigh dem Kehrwert dieser Steigung entspricht (1 / 1,2 = 0,83), wird die veränderte Gerade etwa parallel zur Umgebungsdrucklinie (0,83 ∙ 1,2 = 1). Dies könnte man zum Beispiel durch GF70/85 erreichen (70 / 85 ~ 0,82). Es erfolgt keine Betonung tieferer Stopps mehr, die Dekompression wird dennoch sicherer (und länger) als im unveränderten ZH-L Modell. Die Grafik zeigt den Vergleich der Dekompressionsprofile für verschiedene Varianten bei einem Beispieltauchgang.

Ich persönlich verwende inzwischen bei meinen Tauchgängen im Sporttauchbereich die Kombination GF70/85. Hiermit tauche ich konservativer als mit meinem bewährten alten Aladin Tauchcomputer (ZH-L8), der keine GF kannte. Deutlich tiefere Stopps werden vermieden, dürfen aber zum Beispiel. beim Boje-Setzen durchaus vorkommen und werden vom Tauchcomputer berücksichtigt. Der VDST empfiehlt aktuell tiefere Stopps lediglich zusätzlich zur vorgeschriebenen Dekompression durchzuführen. Diese wird dabei insgesamt länger, da nach LH-L16C bei tiefen Stopps weiterhin einzelne Gewebe aufgesättigt werden. Die heute verwendeten Tauchcomputer mit GF-Einstellung führen hierbei oft zu Diskussionen in den Tauchgruppen, gerade auch bei VDST-Tauchlehrerprüfungen. Es gilt die Einstellung vor dem Tauchgang in der Gruppe abzustimmen. Wichtiger als das letztlich verwendete Wertepaar ist, zu verstehen was der Tauchcomputer daraus macht und was es für die Dekompression bedeutet. Vom VDST werden regelmäßig Workshops und Vorträge zu diesem Thema angeboten, die ich hier sehr empfehlen kann.


Unser Autor: 
Dr. Michael Melter
VDST TL3 und Experte für Dekokompression in der VDST Tauchlehrerausbildung

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert