HERZSTILLSTAND BEIM TAUCHEN

Lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung mit fast fatalem Ausgang.


Helmut (72) ist begeisterter Taucher seit seinem 20. Lebensjahr.  Seit seinem Renteneinstieg leistet er sich jährlich wenigstens einen Tauchurlaub in Ägypten oder der Türkei. Sein 651. Tauchgang wäre beinahe sein letzter geworden….Die Ausfahrt mit dem Zodiac zum Tauchgang ist wie immer mit Herzklopfen verknüpft: was erwartet uns? Ist dort Strömung? Bin ich fit?  Helmut sieht dem entspannt entgegen. Er hat noch eine gültige Tauchsportärztliche Untersuchung, will aber nach dem Tauchurlaub zur Kontrolluntersuchung. Er treibt regelmäßig Sport im „Männerturnverein“ in seinem Heimatort, gelegentlich fährt er zum nahegelegenen Hallenbad zum gemütlichen Schwimmen.

Der Unfalltauchgang
Helmut taucht mit einem weniger erfahrenen Buddy, der mit etwa fünfzig Tauchgängen nur wenig Erfahrung mitbringt. Helmut soll mit seinen 350 Tauchgängen die Führung für den jüngeren Mittaucher übernehmen. Das stresst ihn schon etwas….Bereits nach dem Abtauchen mit Rolle über den Wulst verspürt Helmut Schwindel, kann sich aber schnell wieder orientieren. Sein Buddy ist ohne ihn überbleit in die Tiefe gestürzt. Helmut folgt der Gruppe der anderen Taucher und findet seinen Buddy am Ende der Muringleine. Der Tauchgang enttäuscht wegen schlechter Sicht und mäßiger Strömung. Sein Buddy hat offensichtlich Probleme mit der Tarierung, der Luftverbrauch steigt enorm und Helmut beschließt zur eigenen Sicherheit, zügig aufzusteigen. Sie sind bereits beide unter dem Boot in etwa 15 Meter Tiefe und beginnen einen regelkonformen Aufstieg. Helmut kann sich später an Einzelheiten nicht mehr erinnern. .

Notaufstieg
Helmuts Buddy berichtet später, was passiert war:  kurz nach Beginn des Aufstiegs verlor Helmut seine Kamera, als der Buddy versuchte sie zu greifen, begann Helmut mit unkontrollierten Bewegungen und ohne Reaktion aufzusteigen. Der Atemregler verblieb im Mund, aber die Atmung hatte aufgehört. John, sein Buddy, umfasste die Begurtung des Jacketts fest und leitete einen Notaufstieg ein. An der Wasseroberfläche war Helmut bewusstlos. John löste die Bleitaschen, gab winkend ein Notzeichen ab und hielt Helmut fest. Die Bootsbesatzung erkannte die  bedrohliche Situation und holte Helmut an Bord. In der bereits vorher an Bord gekommenen Tauchergruppe war ein Notfallsanitäter, der die Wiederbelebungsmaßnahmen einleitete: Fünf initiale Atemspenden gefolgt von dreißig Herzdruckmassagen und dann im Wechsel mit jeweils zwei Atemspenden. Sauerstoff war aufgedreht und konnte über eine Beatmungsmaske mit nahezu 100 Prozent verabreicht werden. Nach etwa fünf Minuten hustete Helmut und die Beatmung über die Maske wurde durch Gegenatmung erschwert. Die vorübergehend bläuliche (zyanotische) Hautfarbe wurde rosig. Eigenatmung setzte ein, der zuerst gar nicht tastbare Puls war flach aber regelmässig tastbar.
Helmut begann regelmäßig zu atmen, unterbrochen von Hustenanfällen, weitere Atemspenden und Herzdruckmassagen schienen nicht mehr erforderlich zu sein. Die Sauerstoffgabe wurde mit maximalem Flow fortgesetzt, Helmut in stabile Seitenlage verbracht und weiter überwacht. Sein nasser Tauchanzug wurde gänzlich entfernt und er mit trockenen Handtüchern und Decken vor Auskühlung geschützt.

Die Rettung

Dank eines perfekten Rettungsmanövers an die Wasseroberfläche und das an-Bord-Verbringen mit professioneller kardiopulmonaler Wiederbelebung und Sauerstoffgabe war Helmut gerettet. Nach etwa zwölf Minuten andauernden Wiederbelebungsmaßnahmen war ein ausreichender Herzschlag erkennbar („return of spontaneous circulation“, ROSC). Es erfolgte etwa zwanzig Minuten später die Übergabe des Verunfallten an ein Rettungsboot der Küstenwache. Nach zwei Tagen stationärer Überwachung  wurde Helmut entlassen.

Unfall beim Tauchen?
Die rückblickende Auswertung aller Ereignisse zeigte, dass eine bedrohliche Herzrhythmusstörung wahrscheinliche Ursache der Bewusstlosigkeit unter Wasser war.  Während der stationären Intensivüberwachung wurden am EKG-Monitor immer wieder Pulsverlangsamungen (Bradykardie) bis auf 24/min festgestellt. Die Auswertungen zeigten eine Reizleitungsstörung vom Vorhof auf die Herzkammern, einen sog. AV-Block (atrioventrikulärer Block) (Abb. 1).  Dabei besteht eine so starke Minderdurchblutung vor allem des Gehirns mit der Folge von Schwindel bis hin zu Bewusstlosigkeit ohne Vorwarnzeichen.

Fazit
Ein solches Ereignis hätte auch im Alltag eintreten können. Der Tauchgang war nur zeitlich zufällig, obgleich eine Pulsverlangsamung auch durch den Tauchreflex eintreten kann.  Nach Repatriierung in eine heimatnahe Herz-Kreislauf-Klinik wurde Helmut ein Zweikammer-Herzschrittmacher eingepflanzt

Unter der Haut eingepflanzter Herzschrittmacher.

Tauchtauglich mit Herzschrittmacher?
Entscheidend für die „Freigabe“ der Tauchtauglichkeit ist die zugrundeliegende Herzerkrankung. Schwere Durchblutungsstörungen des Herzens (Koronare Herzkrankheit) oder zurückliegende Herzinfarkte  mit Einschränkung der Pumpfunktion schließen das Tauchen in jeder Form aus.  Tauchkandidaten, die eine absolute Schrittmacherabhängigkeit aufweisen, bei der sie auf jeden Impuls ihres Herzschrittmachers angewiesen sind, sind nicht tauchtauglich. Diese Kriterien gelten auch bei denjenigen, die einen implantierten Cardiodefibrillator haben (ICD).  Verschiedene Schrittmacher-Typen weisen mittlerweile Druckprüfungen durch die Hersteller auf, die Tauchgänge in Tiefen bis max. zwanzig Meter zulassen würden.  In jedem Fall ist bei einem Tauchkandidaten mit Herzschrittmacher oder ICD  eine sehr gründliche Tauchsportärztliche Untersuchung durch einen tauchmedizinisch erfahrenen Kardiologen erforderlich.  Im Zweifelsfall gilt: Sicherheit geht vor!


ECG with acute period of macrofocal myocardial infarction, AV block II degree type Mobitts I and the rhythm of the atrioventricular connection



Unser Autor: 
Dr. med. Konrad Meyne
Internist, Notarzt, Taucherarzt
VDST-Beauftragter Tauchen im Alter Hotlinearzt, TL2

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert