ROMANOWS ERBEN
Citizen Science: Sporttaucher gehen auf Spurensuche nach altem Zaren-Schiff.
Im Frühjahr 2018 sind erfahrene Wracktaucher nach Usedom aufgebrochen, um einer ungewöhnlichen Bitte nachzukommen: Findet ein Kriegsschiff Peters des Großen – das Wrack der Fregatte „Amsterdam Galey“.
Historischer Ansporn
Ist es der Reiz der Geschichte, der insbesondere Wracktaucher immer wieder zu bemerkenswerten Aktionen anspornt? Im aktuellen Fall wurde über private Netzwerke eine Anfrage aus St. Petersburg übermittelt. Die russische Fregatte „Amsterdam Galey“ wurde im frühen 18. Jahrhundert von Zar Peter dem Großen für dessen baltische Flotte erworben – und sank 1740 nördlich der Insel Usedom. Seither gilt das mit 32 Kanonen bestückte Kriegsschiff als verschollen. Einige Hamburger Wracktaucher haben mit akribischer Recherche schon mehrere Schiffsgeschichten zurück an die Oberfläche geholt. Und so stürzten sie sich erneut einen Winter lang in Bücher und Archive. Literatur wurde gewälzt, historische Seekarten mit aktuellen Einträgen abgeglichen und schließlich mögliche Untergangspositionen ermittelt.
Motivation motiviert
Der Expeditionsstandort Peenemünde war schnell gefunden. Doch mangelt es hier an passender Tauchlogistik. Ein Rundruf im Umfeld der Freizeit-Forscher setzte prompt eine Lawine in Gang. Pünktlich zum Start Ende April trudelten aus ganz Norddeutschland 17 erfahrene Wracktaucher mit insgesamt sechs Einsatzbooten und drei Kompressoren ein. Selbst Teilnehmer aus Bayern und dem Erzgebirge fanden den Weg nach Usedom. Ein Unterwasserarchäologe hat große Teile des Einsatzes begleitet – schließlich sollte auch in wissenschaftlicher Hinsicht astrein gearbeitet werden. Alles, was das Team wusste, war, dass die „Amsterdam Galey“ am 25. Mai 1740 im Seegebiet der Greifswalder Oie gesunken ist. In den folgenden Tagen galt es, 15 ermittelte Verdachtspositionen zu überprüfen – in einem Seegebiet von 40 sm2.
Im Forscherfieber
Punkt für Punkt fahren die Teams die Positionen an. Sie sind zwar in Seekarten verzeichnet, doch was sich unter der Oberfläche verbirgt, steht dort nicht. Tatsächlich gibt es schon am ersten Tag einen Treffer: Das Echolot zeigt eine große Erhebung. Ist das Wrack etwa schon gefunden? Sofort taucht ein Team ab, um das Spantengerüst eines mindestens 20 Meter langen Wracks zu inspizieren und foto- und videografisch festzuhalten. Wenige hundert Meter entfernt stößt ein weiteres Einsatzteam auf markante Holzfragmente und eine große Winde. Andere Teams entdecken in den kommenden Tagen weitere Wrackteile. Die Stimmung ist auf dem Höhepunkt.
Doch handelt es sich insbesondere bei dem ersten Wrackfund wirklich um die verschollene Zaren-Fregatte? Mein Forscherkollege und ich sichern die Eindrücke durch eine Dokumentation. In zwölf Metern Tiefe vermessen und zeichnen wir ein hölzernes Schiffswrack von etwa 30 Metern Länge. Dabei stoßen wir auf gusseiserne Poller, eine eiserne Winde und stahlverstärkte Spanten. Diese Details passen nach unserem Kenntnisstand nicht in die Zeit des Großen Nordischen Kriegs. Ein Unterwasserarchäologe taucht mit ab – und bestätigt unsere Einschätzung.
Gewinn statt Niederlage
Die „Amsterdam Galey“ wurde in dieser Aktionswoche wohl nicht gefunden. Dennoch ist dieser Einsatz als voller Erfolg zu werten. Erneut haben Sporttaucher bewiesen, dass sie mit einer soliden Ausbildung – viele Teilnehmer haben den VDST-SK Denkmalgerechtes Tauchen, äquivalente oder erweiternde Kurse absolviert – als schlagkräftiges Team verwertbare Forschungsergebnisse liefern können (vergl. „Die Gezeitentaucher“/ VDST-sporttaucher 3/18). Diese wurden abschließend entsprechend aufbereitet und dem zuständigen Landesamt übergeben.
Unser Autor:
Elmar Klemm
Fotos:
Robert Baken
Wracktauchen in der Ostsee? Ist das denn erlaubt?