NICHT TAUCHTAUGLICH!

Körperlich fit, aber nicht tauchtauglich. Ein Fallbeispiel  aus der Taucherarztsprechstunde



Die tauchsportärztliche Untersuchung („TSÄU“) wird für Tauchsportler*innen in regelmäßigen Intervallen gefordert. Sie soll den Taucher vor gesundheitlichen Schäden beim Tauchen bewahren, aber auch die Tauchschule, die Tauchbasis und den Tauchausbilder vor Schadensersatzansprüchen bei Tauchunfällen. Viele Taucher*innen fühlen sich fit for fun. Ergeben die Untersuchungsbefunde ein „NEIN“ für das Tauchen, bedarf es ausführlicher Gespräche zur Erklärung der zu befürchtenden Risiken. Wie geht der Taucher damit um, wie der Taucherarzt? Manche Tauchsportler benötigen für ihre Urlaubs-tauchgänge nur eine „Gesundheitserklärung“ für die Tauchbasis. Sie sind sich aber damit nicht immer des Risikos bewusst, das sie eingehen. Als Beispiel sei der übergewichtige 60-jährige Taucher mit Bluthochdruck, Zuckerkrankheit genannt, der mit 20 Zigaretten am Tag sich „fit“ fühlt wie vor 40 Jahren…. Meist kreuzen diese Taucher immer ein Nein an auf dem Fragebogen, wohlwissend, dass sie sonst zur TSÄU müssen… Der gewissenhafte Taucher ist aber manchmal erstaunt und zeigt nicht immer Verständnis, wenn das Ergebnis der Tauchtauglichkeitsbeurteilung ein No-Go ergibt. 
Der Fall
Fred ist  51 Jahre alt und taucht seit 23 Jahren. Nie gab es Probleme. Seine Tauchtauglichkeitsbescheinigung ist aktuell, er ist sehr sportlich mit regelmäßigen Mountainbike-Touren, Lauftraining über zehn  Kilometer und Schwimmen.  Er ist T*** mit fast 1000 Tauchgängen,  häufig tief, kalt und fast immer im Trocki. Am Tauchtag hat sich die kleine Gruppe um Fred an einem Alpensee verabredet. Er kennt den Tauchplatz und beabsichtigt, mit zwei weiteren erfahrenen Tauchern alte Wrackteile auf der 40m-Marke zu suchen. Es ist sein zweiter Tauchgang im Trocki an diesem heißen Tag im Juli. 
Der Tauchunfallhergang
Noch vor Erreichen der geplanten Tiefe verspürt Fred Beklemmungen hinter dem Brustbein, er kann nicht mehr durchatmen. Er fühlt sich unwohl und gibt seinen Mittauchern das Zeichen, dass er ein Problem hat und beschließt, aufzutauchen. An der Wasseroberfläche angekommen hat er mittlerweile starke Atemnot, unstillbaren Husten und muss letztlich schon wenige Meter entfernt vom Ufer von Tauchern an Land gezogen werden. Er hustet blutigen schaumigen Auswurf. Die Umstehenden erkennen die Bedrohlichkeit und leiten die Rettungskette ein. Wenige Minuten nach Rettung aus dem Wasser stellt der Notarzt ein Lungenödem fest. Im Rettungswagen wird Fred mit Sauerstoffmaske versorgt. 
Diagnose: Herzklappenfehler
Die Untersuchungen nach stationärer Aufnahme bestätigen ein akutes Linksherzversagen mit Lungenstauung. Im Ultraschall des Herzens zeigt sich ein vorher nicht bekannter Herzklappenfehler mit einer Ausstrombeeinträchtigung der Aortenklappe. Als Auslöser des „Tauchunfalls“ wird die Aortenklappenstenose zunächst nicht verdächtigt. Immerhin ist Fred sonst sehr gut belastbar. Der tauchsportärztlichen Untersuchung sechs Monate später sieht Fred daher gelassen entgegen. Er hält sich für sportlich und gut belastbar – was sollte also gegen das Tauchen sprechen? Die zusätzlich zur körperlichen Untersuchung  durchgeführte Echokardiografie (Ultraschalluntersuchung des Herzens) bestätigt eine mittel- bis höhergradige Aortenklappenstenose, die Herzklappe öffnet sich nicht mehr ausreichend. Dadurch ist die linke Herzkammer verdickt, eine typische „Anpassung“ des Herzmuskels an die erforderliche Mehrarbeit, um das Blut durch die verminderte Klappenöffnung auszupressen. Fred wird eine Herzklappenoperation empfohlen.
Der Ablauf des  „Tauchunfalls
Das Eintauchen (Immersion) bedingt eine Blutumverteilung von der Körperschale zum Körperkern. Der Blutrückfluss zum Herzen über das rechte Herz, die Lungenstrombahn zum linken Herzen nimmt deutlich zu. Einem gesunden Herzen bereitet dieses Blut-Pooling keine Probleme. Auch bei alltäglicher sportlicher Betätigung tritt diese Mehrbelastung nicht auf. Daher ist Fred bei seinem Lauftraining auch bis zu seiner Belastungsgrenze beschwerdefrei.  Sein Herzklappenfehler lässt aber eine derartige Mehrbelastung unter Wasser nicht mehr zu: Es entsteht ein Blutrückstau über den linken Vorhof zurück in die Lungenstrombahn. Das erklärt die Luftnot in der Tiefe und die Entwicklung des bedrohlichen Lungenödems.  Tauchverbot
Fred ist sauer über die Verweigerung der Tauchtauglichkeitsbescheinigung, immerhin sei er doch sehr sportlich! Sein Herzklappenfehler mag zu diesem Zeitpunkt noch für solche Belastungen keine Einschränkungen zur Folge haben, aber für das Tauchen ist Fred nicht mehr tauglich. Sechs Wochen später erhält Fred einen Aortenklappenersatz. Es wird ein Jahr dauern, bis er voraussichtlich wieder tauchen kann. Die tauchsportärztliche Untersuchung hat ihn vor ernsten Folgen seines Herzklappenfehlers im Alltag bewahren können.
Fazit
Eine gute körperliche Belastungsfähigkeit ist nicht immer gleichzusetzen mit einer uneingeschränkten Tauchtauglichkeit. Die tauchsportärztliche Untersuchung ist gerade deshalb nach einem Tauchzwischenfall aus gesundheitlichen Gründen von einem erfahrenen Taucherarzt zu fordern. 


Liste der GTÜM–Taucherärzte
unter www.gtuem.org


Unser Autor:
Dr. med. Konrad Meyne 
Internist, Notarzt, Taucherarzt
Stv VDST-Bundesverbandsarzt, Hotlinearzt, TL2



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