Schwerelos – ein Leserbrief
Lieber Doktor Konrad Meyne, wir sind Dir dankbar für Deinen Artikel im VDST-sporttaucher 4/2018. Du beschreibst das, was wir alle eigentlich schon lange wissen: die Tauchtauglichkeitsuntersuchung, die wir alle regelmäßig absolvieren, sagt so ziemlich nichts über die Tauchtauglichkeit aus!
Im Artikel beschreibst Du, dass zwei Tauchgänge bereits am Vormittag durchgeführt wurden, was schon bei „Normalgewichtigen“ durch die Stickstoffanreicherung im Gewebe belastend ist. Wenn dann zusätzlich noch nachmittags getaucht wird, ist das leichtsinnig. Absolviert ein stark übergewichtiger, schlecht trainierter Taucher dieses Pensum, ist sein Verhalten fahrlässig sich selbst und seinen Buddies gegenüber. Ach ja, guter Witz, die Sache mit der „Belastung durch das An-Bord-Klettern“! Zu befürchten ist leider, dass vermutlich die Hälfte der Leserschaft diesen Witz nicht verstanden hat… die „Belastung“, den Tauchgang sicher „an Bord“ oder „am Ufer“ und nicht nur an der Wasseroberfläche beenden zu können, sollte von ausreichend trainierten Taucherinnen und Tauchern im Grunde selbstverständlich zu schaffen sein. Wer dies als „Belastung“ empfindet, ist aus unserer Sicht nur eingeschränkt tauchtauglich. Und hier setzt unsere Kritik an dem derzeit gültigen Begriff der „Tauchtauglichkeit“ an. Wir fragen uns als medizinische Laien, ob die für das Tauchen notwendige Kraft und Kondition in der derzeit gültigen Untersuchung ausreichend betrachtet und bescheinigt wird und glauben, dass die Antwort „Nein“ sein muss.
Fitness als Element?
Wir möchten zusätzliche Elemente der Tauchtauglichkeitsuntersuchung vorschlagen, durch die im Ergebnis zwischen dem Status „eingeschränkt tauchtauglich“ und dem Status „voll tauchtauglich“ unterschieden werden kann. Der Unterschied wird durch die Ausführung sehr einfacher Kraft- und Konditionsübungen festgestellt, die im Infokasten beschrieben sind.
Alle Taucherinnen und Taucher, die diese Übungen nicht an „einem Stück“, dass heißt ohne Pausen, durchführen können, sind aus unserer Sicht „eingeschränkt tauchtauglich“. Sie besitzen nicht genügend Kraft und Kondition, um sicher tauchen und sich und ihre Buddies gegebenenfalls gefahrlos durch kritische Tauchgangssituationen bringen zu können, beispielsweise durch Hilfestellung bei starker Strömung, beim Erklimmen einer Leiter an Bord oder bei der Rettung in ein Schlauchboot.
„Eingeschränkt tauchtaugliche“ Personen sollten nur in Begleitung entsprechend ausgebildeter Taucher, die die volle Tauchtauglichkeit besitzen, tauchen dürfen, am besten im Verhältnis eins zu zwei, ein eingeschränkt mit zwei voll tauchtauglichen Tauchern.
Und warum ist Fitness so wichtig?
Unsere Gründe für den vorgeschlagenen Test sind einfache: die Tauchausrüstung hat Gewicht, das zusätzlich zum eigenen Körpergewicht zum Wasser hin und wieder zurück beziehungsweise eine Leiter oder Treppe hoch getragen werden muss. Hinzu kommt, dass ein Tauchanzug die Beweglichkeit etwas einschränkt, aber auch die Atmung etwas erschwert. Erhöhte Außentemperaturen stellen eine zusätzliche Belastung dar. Wer bei den vorgeschlagenen Übungen bereits seine körperlichen Grenzen erreicht, kann im Notfall niemandem mehr helfen, er oder sie kann nicht voll tauchtauglich sein.
Übungen als Minimalvoraussetzung
Die vorgeschlagenen Übungen sollten als Minimalvoraussetzung angesehen werden. Sie können ohne medizinisch-apparativen Aufwand praktisch überall durchgeführt werden. Jeder Anwärter kann die Übungen bereits zu Hause machen und sich so trainieren. Dies stellt halbwegs sicher, daß man selbst einigermaßen fit ist und anderen im Falle eines Falles nicht zur Last fällt, sondern ihnen gegebenenfalls auch helfen kann.
Diese alternative Tauchtauglichkeitsuntersuchung sollte unabhängig von Alter und Geschlecht jedes Jahr durchgeführt werden. Sie nimmt nur wenig Zeit in Anspruch, benötigt keine teuren Apparate und kann daher für wenig Geld angeboten werden. Je nach Bedarf können natürlich zusätzlich gegen Aufpreis eine Lungenfunktionsprüfung und ein Belastungs-EKG durchgeführt werden.
Die Art der Tauchtauglichkeit muß auf der Untersuchungsbescheinigung ausgewiesen sein.
Fazit: Es sollte nicht sein, dass durch eine bestandene Tauchtauglichkeitsuntersuchung vorgegaukelt wird, jemand wäre voll tauchtauglich – was bei der derzeitigen Praxis der Fall ist. Denn wir sollten alle nicht die Augen vor der Tatsache verschließen: nicht jeder Mensch ist voll tauchtauglich!
Wir hoffen mit diesem Leserbrief eine Diskussion loszutreten
Mit tauchsportlichen Grüßen
Torsten Milinski
Nowtilus Wattenscheid e.V.
Dr. Kai Schröder
Fitnessguru, Nowtilus Wattenscheid e.V.