WRACKTAUCHEN OHNE DEKO

Moderne 3D-Techniken ermöglichen interaktive Wracktauchgänge am Bildschirm. Der VDST organisiert Mit-Mach-Projekte an bekannten Wracks im Mittelmeer.


Über 300 Tauchlehrer/innen lauschen gespannt dem Vortrag von  Forschungstaucher und VDST-Mitglied Dr. Florian Huber in Mühlheim bei Frankfurt. Florian ist vielen aus Fernsehsendungen wie Terra X bekannt und er hat ein Händchen dafür, auch komplexe Zusammenhänge faszinierend und allgemeinverständlich zu erklären – und er beweist damit, Wissenschaft kann  „ansteckend“ sein. Anlässlich der hessischen VDST-Ausbildertagung berichtet Florian im März 2019 über ein Forschungsprojekt, bei dem mit über 20.000 Unterwasser-Fotos und einem Hochleistungsrechner ein hochauflösendes 3D-Modell vom Wrack der Mars (siehe Aufmacherfoto) erstellt wurde. Die Mars war das Flaggschiff des Schwedenkönigs Erik XIV. Sie sank 1564 und wurde erst 2011 in der Ostsee wieder entdeckt.  Das Modell ist so detailreich, dass man virtuell und interaktiv durch das Wrack „tauchen“ kann – besser als in der Realität. Gerade in der Ostsee sind die Sichtweiten oft eingeschränkt und erst am Bildschirm erhält man einen Eindruck von der Wucht des Wracks unter Wasser – von dem man ja immer nur einen kleinen Ausschnitt real sehen kann. Ein besonderer Clou: Die Vektorgrafik lässt es auch zu, Teile davon oder das ganze Wrack mittels eines 3D-Druckers auszudrucken. Bei aller Faszination am Wracktauchen ist Augenmaß und Respekt angesagt – handelt sich bei vielen Schiffsunglücken um persönliche Schicksale mit zum Teil vielen Toten.  Florian beschreibt die Szenarien beim Kampf um die Mars drastisch: „Im 16. Jahrhundert war es oft ein brutaler Kampf Mensch gegen Mensch. Von der Mars wird berichtet, dass der Boden mit Sägemehl bestreut wurde, weil die Soldaten immer wieder auf vergossenem Blut ausrutschten“.  Rund 2500 bekannte Wracks sind alleine in der Nord- und Ostsee verzeichnet – tatsächlich sind es aber viel mehr. Viele davon sind international geschützte Denkmäler. „Die Wracks sind im Meer sehr gut aufgehoben – es macht absolut keinen Sinn, Andenken von Wracks mitzunehmen, damit sie daheim im Keller versauern oder zerfallen – Bilder dagegen schon“ so Florian weiter.


Fotos:  Thomas Stachura (1), Christian Howe (2)

(1) Der Taucher vor Ort sieht nur einen kleinen Ausschnitt des Wracks

(2): Erst die moderne „Stitching“ Fototechnik gibt einen detailgetreuen Überblick von dem Wrack

Der Wrackdoktor
VDST-Mitglied Florian Huber, taucht seit frühester Jugend und hat Archäologie, Anthropologie und Skandinavistik in München, Kiel und Umeå (Schweden) studiert. Bevor er sich als Unterwasserarchäologe und Forschungstaucher selbstständig machte und mit vier Kollegen die Tauchfirma Submaris gründete, war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Kiel und leitete dort die Arbeitsgruppe für maritime und limnische Archäologie. Er ist Autor zahlreicher Fachpublikationen, Zeitschriftenartikel sowie Bücher und steht regelmäßig für TV-Dokumentationen wie Terra X vor der Kamera. Aktuelles Buch:  

Kein Engländer soll das Boot betreten – Die letzte Fahrt von UC 71




3D-Drucker stellen authentische Modelle der Wracks her


Wissenschaft kann anstecken.
Lässt sich die Technik für uns alle im VDST nutzen? „Im Prinzip ja – die notwendige Software ist erschwinglich – allerdings benötigt man sehr viele überlappende und gut aufgelöste Bilder – das Puzzlespiel am Rechner ist dann reine Fleißarbeit“ – so Florian Huber. Gesagt – getan: gemeinsam mit Dr. Huber startet der VDST Fachbereich Ausbildung ein Projekt, mit dem Ziel, im Herbst 2020 ausgewählte Wracks in Hyeres/Südfrankreich zu dokumentieren und als 3D-Modelle bereitzustellen. Das Mittelmeer in Südfrankreich gehört zur Wiege des Tauchsports. Rund um Hyeres liegen unzählige gut betauchbare Wracks in Tiefen zwischen zehn und 60 Metern.  Interessierte Wracktaucher und Fotografen können sich beteiligen. Die Ausschreibung hierzu erfolgt über die VDST Homepage. 



Unser Autor:
Frank Ostheimer
Stellvertretender Bundesausbildungsleiter

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